Der Duft des Bösen
wirkte er zu schlank, sogar für einen ganz jungen. Die Hände, ein hundertprozentiges Geschlechtsmerkmal, steckten in schwarzen Handschuhen. Und doch musste es sich um dasselbe Mädchen handeln. Die Person hatte ihre Größe und ihre Gestalt, soweit er das erkennen konnte. Mit einem unterdrückten Seufzer, der in Anbetracht der Umstände sowieso sinnlos war, stellte er die Computertasche unter seinen Sitz, stand auf und ging.
Flint, der früher mal zur Bühne hatte gehen wollen – Hollywood, Bollywood oder eben nur TV – und ab und zu immer noch von der Schauspielerei träumte, zog eine große Show ab: Versetztes Mädchen stolziert aus dem Kino. Hinter der Trennwand zwischen letzter Reihe und Eingang und Foyer blieb er stehen und starrte fünf Minuten träge über die Sitzreihen hinweg auf die Leinwand. Dann schlenderte er ein, zwei Meter den rechten Gang hinunter und setzte sich auf den Platz des Knackers. Der Hauptfilm hatte begonnen. Schade, dass er weg musste, wirklich – langsam bekam er Spaß an diesem Film, aber Job sei nun mal Job, ermahnte er sich tugendhaft. Das hier war Arbeit, und kein Vergnügen. Er zog die Tasche unter dem Sitz heraus, stellte sie in die Tesco-Tüte und schob ab. Niemand schien etwas bemerkt zu haben. Anscheinend war es allen egal.
Wieder in der St. Michael’s Street überließen Flint und Julitta Anwar das Öffnen der Tasche. Er hob die Bündel mit den Scheinen heraus und zählte sie nacheinander. Fünftausend Pfund.
Unten in der Tasche lag ein bedruckter DIN-A4-Zettel, der offensichtlich auf einem Computer entstanden war.
»Ihr habt von mir 15.000 £ bekommen. Das reicht«, las Anwar laut. »Denkt nach, ehe ihr noch mehr fordert. Ich werde euch dreckigen Blutsaugern, euch Dieben, keinen einzigen Penny mehr bezahlen. Ich wiederhole: nicht einen Penny. Ihr könnt drohen, so viel ihr wollt. Ihr habt bereits meine sämtlichen Ersparnisse. Mehr gibt es nicht.«
»Was ist ein Penny?«, wollte Julitta wissen.
»Ein Pence, du blöde Kuh. Eines von diesen kleinen Kupferdingern.«
»Und warum sollen wir so was wollen?«
»Halt’s Maul, ja?«, sagte Anwar. »Denkt nach, sagt er. Das tue ich und ich denke, er wird genau das tun, was wir sagen, verdammt noch mal. Komisch, aber bis diese blöde Tussi den Diamanten verloren hat, war ich fast so weit, die Sache abzublasen.« Warnend fauchte er Julitta an, die den Mund aufgemacht hatte. Vermutlich wollte sie um eine Übersetzung bitten. »Jetzt bin ich’s nicht mehr. Wir brauchen noch fünf Riesen. Der Scheißer hat darum gebeten, und er wird’s bekommen. Oder, besser gesagt, wir werden es bekommen.«
»Guter Gedanke«, sagte Flint.
27
Selbstverständlich würde sie ihn heiraten. Diesbezüglich müsste Inez nichts befürchten. Hatte sie denn ihre Einladung zur Hochzeit nicht bekommen? Hatte Inez nicht, außerdem hatte sie sowieso nicht vor hinzugehen.
»Ich habe ihn hier in letzter Zeit nicht mehr gesehen.«
»Er steckt bis zu den Ohren in den letzten Vorbereitungen«, sagte Zeinab. »Was ist denn mit der Chelsea-Porzellanuhr passiert?«
»Ich habe sie verkauft. Einem Mann, der nicht gehandelt, sondern einfach meinen Preis bezahlt hat. Endlich.« Obwohl Inez mittlerweile in Bezug auf Zeinab ein besseres Gefühl hatte als noch am Feiertag, konnte sie sich eine boshafte Bemerkung nicht verkneifen. »Heute Vormittag, gegen drei viertel zehn. Bevor du gekommen bist.«
Aber derartige Bemerkungen waren bei Zeinab wirkungslos. »Schade, dass er nicht auch noch das scheußliche Vieh genommen hat.« Sie stand vor dem Spiegel, den sie als ihr Eigentum betrachtete, und war in ihr Abbild vertieft, das wie immer schön war, allerdings ohne ein Schmuckstück an Hals, Armen oder Ohren. Die einzigen Diamanten, die sie trug, befanden sich in Morton Phiblings Verlobungsring. »Jammerschade, dass dieser Anhänger geklaut wurde«, meinte sie. »Ich habe es ihm nie erzählt. Vermutlich beichte ich das am besten in der Hochzeitsnacht.«
»Von der Polizei haben wir keinen Ton mehr gehört.«
»Ein Packen nutzloser Faulenzer, das sind sie«, sagte Zeinab. »Und die arme Ludmilla hat sämtliche Eheringe verloren. Haben Sie schon Ersatz für mich? Oder wollen Sie wieder Freddy einstellen?«
Zu Inez’ Unglück ging genau bei diesen Worten die Hintertür auf, und Freddy spazierte herein. »So ist es doch ausgemacht, Inez, nicht? Oder wie die Redewendung heißt: Das ist doch sonnenklar.«
»Mir wäre bei einer trüberen Aussicht wohler«, sagte Inez in
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