Der Duft des Bösen
wieder irgendwie jener Satz aus einem unbekannten Stück ein, den er rezitiert hatte, als er sich besonders deprimiert gefühlt hatte: Aus ist der helle Tag, und wir gehn nun ins Dunkel. Die Dunkelheit war wieder zurückgewichen, strahlendes Licht war hereingebrochen, und das zu einem Zeitpunkt, an dem man von ihm zum dritten Mal Geld gefordert hatte, unter Drohungen erpresstes Geld. Nie würde sie diese Ohrringe an die »Polente« schicken, wie sie sie genannt hatte. Dafür würde er sorgen.
An jenem Donnerstagabend hatte Zeinab versprochen, mit Morton Phibling zum Essen auszugehen, der sie unbedingt ins Connaught entführen wollte, aber als sie um einiges früher als sonst ins Dame-Shirley-Porter-Haus zurückkam, erwartete sie Algy bereits geschniegelt und gebügelt in einem neuen Anzug und hatte für sie beide einen Tisch im Daphne’s gebucht. Ein Überraschungsdinner, meinte er. Ihre Mama würde babysitten. In der Tat war sie bereits in der Wohnung und schaukelte auf jedem gut gepolsterten Knie eines der Kinder. Alle drei waren in ein Video vertieft. Eben lief der schaurigste Teil von »The Others«.
»Warum hat Nicole bloß immer dasselbe weinrote Kleid an?«, sagte Zeinab. »Sie ist ein Superstar. Warum hat sie keine glamouröse Garderobe?«
»Frag mich nicht.« Wie bei Jungvögeln stopfte Reem je einen halben Riegel Bounty in die offenen Münder. »Jetzt sei still. Wir wollen das sehen.«
Zeinab hielt es für besser, mit Algy zu gehen. Wenn sie ihm wieder einen Korb gäbe, würde er allmählich komisch werden, besonders wenn sie zu einem Rendezvous mit Morton verschwände. Hätte sie diesen Anhänger nicht verloren, hätte sie kein Gewissensproblem gehabt. Dann hätte sie ihn verkaufen und Algy das Geld aushändigen können. »O.k.«, sagte sie, »dann werde ich mich mal umziehen.«
Während sie im Schlafzimmer in ein schwarzes Satinkleid mit Perlenstickerei schlüpfte – Algy wäre tot umgefallen, wenn er gewusst hätte, was Morton dafür bezahlt hatte –, rief sie Morton von ihrem Handy aus an und war dankbar, dass er nicht abnahm. Sie hinterließ ihm eine Nachricht: Sie sei zum Ausgehen zu müde und fühle sich seltsamerweise plötzlich unwohl. Als der Film zu Ende war, erklärte sie anschließend Reem, falls Morton anrufe, solle sie ihm sagen, sie habe sich bereits hingelegt und dürfe nicht gestört werden.
»In Ordnung«, meinte Reem. »Gespenster waren sie. Deshalb.«
»Was – deshalb?«
»Hatte Nicole nur immer ein Kleid an.«
Algy und Zeinab verließen die Wohnung und fuhren mit dem Taxi nach Knightsbridge hinunter.
Sie hatten einen reizenden Abend. Zeinab gestand sich ein, dass sie sich mit Algy in dieser Hinsicht immer besser amüsierte als mit Morton oder sonst jemandem. Es war ziemlich romantisch, wie vor der Geburt der Kinder. Nur etwas war seltsam: Die ganze Zeit machte Algy den Eindruck, als wolle er ihr jeden Moment etwas sagen, was er aber nie tat. Vielleicht hatte sie es sich nur eingebildet. Da Reem übernachtete, konnten sie nach Lust und Laune wegbleiben. Algy nahm sie in einen Club mit und dann noch in einen anderen. Es war fast zwei Uhr, bevor sie heimkamen.
Trotzdem stand Algy früh auf. Das musste er. Um halb acht weckte er Reem, da er auf ihre Hilfe angewiesen war, machte die Kinder fertig und erinnerte Reem daran, dass sie versprochen hatte, sie in die Schule zu bringen. Zeinab schlief weiter, was Algy wunderbar passte. Der Umzugswagen kam um halb neun. Mittlerweile konnte sich Algy eine ordentliche Firma leisten. Als sie hier einzogen, hatte er selbst den gemieteten Umzugswagen gefahren und ihn gemeinsam mit Zeinab beladen. Natürlich hatten sie damals noch nicht so viel Zeug gehabt. Er wies die Männer an, sie sollten im Wohnzimmer anfangen und vorsichtig mit dem Digitalfernseher umgehen. Als die Möbelpacker dort drinnen beschäftigt waren und Reem mit Carmel und Bryn schwerfällig davongetappt war, weckte er Zeinab.
»Um Himmels willen, wie spät ist es?«
»Geht schon auf neun«, sagte er. »Du solltest allmählich aufstehen. Wir ziehen um.«
»Wir tun was?«, schrie Zeinab.
»Du hast es gehört, Suzanne. Na los, du wusstest doch, dass wir gehen, nur noch nicht, wann. Nun, es ist so weit – hier und heute.«
Sie stand auf und zog ihre neuen Jeans an – topmodisch mit verwaschener Kniepartie und ausgefransten Säumen – und einen Kaschmirpulli, denn für Juni war es eiskalt. Ein Umzug war wirklich ziemlich spannend. Normalerweise gaben Männer ihr beim
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