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Der Duft des Bösen

Der Duft des Bösen

Titel: Der Duft des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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Zeit. Wie er so von Geldautomat zu Geldautomat und weiter zur Bank und wieder zurück wanderte, fiel ihm ein, wie gering ihr Risiko war. Angenommen, er ginge zur Polizei, vermutlich zu Crippen oder diesem Zulueta, dann müsste er ihnen erzählen, was die Einbrecher aus seiner Wohnung gestohlen hatten. Damit wäre er erledigt. Nach dem Abliefern der zweiten Fünftausend blieben ihm nur noch knapp über Fünftausend, und die auch noch in Wertpapieren. Mehr Ersparnisse hatte er nicht besessen. Sobald diese aufgebraucht wären, würde er sein Auto oder sogar sein Haus verkaufen müssen. Denk jetzt nicht daran, schalt er sich, geh morgen ins Kino, übergib das Geld, und denk dann in Ruhe nach. Ein Mann mit seiner Intelligenz müsste doch wirklich einen schwarz gewandeten Teenager und dessen Freund, diesen Schwachkopf, überlisten können, wenn es einen Freund überhaupt gäbe.
     
    Will war erst einen Abend und eine Nacht wieder in der Star Street, aber Kim wollte ausziehen. Nachdem sie gestern schon mittags heimgekommen war und Will gegen drei oder vier Uhr erwartete, hatte sie sich nachmittags darangemacht, sein Zimmer und seine Küche blitzblank zu putzen und »gemütlich« zu gestalten, wie es ihre Mutter ausdrückte. Obwohl die Wohnung bereits reichlich sauber war, werkelte Kim mit Staubsauger, Staublappen und Möbelpolitur herum. Sie kaufte rosa Tulpen und weißen Flieder und arrangierte beides in den einzigen zwei Gefäßen, die sie finden konnte. Eines war eigentlich als Papierkorb gedacht. Anschließend machte sie sich fast wie eine Hausfrau in den 1950er Jahren für ihren Mann fertig: Sie duschte und zog das durchsichtige Sommerkleidchen an, das sie am Samstag gekauft hatte. Gerade noch rechtzeitig fiel ihr ein, dass sie Wills Bett nicht frisch überzogen hatte, ein entscheidender Punkt in ihrem Plan, und sie erledigte auch das noch.
    Ihre Haare hatte sie am Vormittag von einer der Nachwuchsfriseusen im Salon machen lassen, die immer zu ihrer Mutter nach Hause kam. Obwohl sie normalerweise nur ganz wenig oder gar kein Make-up trug, hatte sie sich an diesem Nachmittag sorgfältig geschminkt und ihre Nägel noch besser gepflegt als sonst. Als sie sich im Badezimmerspiegel – dem einzigen in der Wohnung – betrachtete, fand sie, sie hätte ziemlich viel Ähnlichkeit mit Cindy Crawford, nur war sie jünger.
    Becky brachte Will drei Stunden später nach Hause, als Kim erwartet hatte. Inzwischen war das Brathähnchen zerfallen, die Ofenkartoffeln schwarz und trocken, und sie hatte sich neu geschminkt. Dass Becky mit Will heraufkam, verstärkte ihren Ärger. Kein Mann in seinem Alter möchte, dass seine Tante um ihn herumwuselte wie eine Henne um ihr einziges Küken.
    »Du kommst sehr spät.« Noch während dieses Satzes merkte Kim, dass sie genau wie ihre Mutter klang.
    »Wir hatten doch keine bestimmte Zeit ausgemacht, oder?«, sagte Becky.
    »Will hat gesagt, er würde nicht spät kommen. Das hat er noch am Freitag gesagt.«
    Becky holte eine Flasche Wein aus Wills Kühlschrank und entkorkte sie. Den musste sie selbst hineingestellt haben, denn Will trank nie Wein und Kim konnte sich ihn meistens nicht leisten. Trotzdem nahm sie Beckys Angebot auf ein Glas an. Sie hatte es dringend nötig.
    »Sieben Uhr kann man kaum spät nennen«, meinte Becky milde. Sie trank ihren Wein sehr schnell aus, schenkte sich ein zweites Glas ein und lobte, wie sauber die Wohnung sei. Das gefiel Kim. Allmählich beruhigte sie sich. Trotzdem wollte sie unbedingt, dass Becky ging. Worauf wartete sie noch? Schließlich hatte sie eine eigene Wohnung und einen Freund.
    Aber Becky blieb und plauderte und sagte, sie sei froh, dass sie endlich mal Gelegenheit hätte, Kim besser kennen zu lernen. Hübsch sähe sie aus. Würde es hier nicht nach Essen duften, oder bilde sie sich das ein? Leider bräuchte Will keine zweite Mahlzeit. Er habe schon vor der Abfahrt aus der Gloucester Avenue gegessen. Kim drehte den Ofen aus. Kaum war Becky endlich gegangen und die Wohnungstür hinter ihr ins Schloss gefallen, kippte sie das ganze Essen in den Abfalleimer. Inzwischen hatte Will schon seit einer halben Stunde den Fernseher eingeschaltet. Außer einem Lächeln und einem »Hallo« für Kim hatte er keinen Ton mehr gesagt.
    Niedergeschlagen setzte sie sich neben ihn und schaute die Folge an. Da sie keine der vorausgegangenen Episoden gesehen hatte, kam sie nicht mit. Außerdem nahm sie sowieso kaum etwas davon wahr. Sie dachte fortwährend an ihren Plan.

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