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Der Duft des Bösen

Der Duft des Bösen

Titel: Der Duft des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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vielleicht etwas Auffälliges, Wachsfrüchte unter einem Glaszylinder oder einen Akt aus dem 19. Jahrhundert –, entdeckte er nach einem verblüfften Rundblick den Jaguar. »Das da, das ist eine Schande«, rief er laut. »Schlimmer als ein Pelzmantel.«
    »Ich habe ihn nicht geschossen«, sagte Inez.
    »Selbst wenn man ihn geschenkt bekommt, ist es eine Schande. Armer Kerl. Zucken Sie denn nicht schon beim bloßen Anblick zusammen, oder sind Sie so unsensibel, dass Sie über so etwas gar nicht nachdenken?«
    Inez erhob sich. »Wenn Sie mit Ihrer Schimpftirade fertig sind, könnten Sie mir freundlicherweise sagen, was Sie eigentlich suchen.«
    Aus irgendeinem Grund wirkten ihre Worte beruhigend auf ihn. »Ich suche Ayesha«, stieß er hervor.
    »Hier gibt es niemanden namens Ayesha«, sagte Inez, obwohl sie bereits mehr als einen Hauch Ahnung hatte.
    »Ein hübsches dunkles Mädchen, hat lange Haare. Ungefähr zwanzig.«
    »Aha, ich glaube zu wissen, wen Sie meinen. Und dürfte ich vielleicht erfahren, wer Sie sind?«
    »Ich heiße Rowley Woodhouse.«
    Inez konnte nicht anders, sie platzte einfach damit heraus. »Sie gibt es also wirklich!«
    »Natürlich gibt es mich. Darauf können Sie wetten. Wo ist Ayesha?«
    »Sie hat ihre Stelle hier mit dem gestrigen Tag beendet.« Freddy, der Dramen über alles liebte, hatte begierig gelauscht und trat nun zu ihnen. »Ich bin überzeugt, dass sie den heutigen Tag für ihre Vorbereitungen brauchen wird. Sie heiratet am Samstag. Ich habe selbst erst letzte Woche geheiratet und weiß also, wie man sich fühlt. Gibt nichts Besseres.«
    Rowley Woodhouse starrte ihn an. Inez hatte aus der Situation ausreichend Rückschlüsse gezogen und dieses Thema bewusst gemieden, Freddy hingegen war entweder in aller Unschuld unsensibel oder mit Genuss rachsüchtig. Woodhouse sagte: »Ich verstehe nicht.«
    »Schauen Sie, das werden Sie schon selbst mit ihr klären müssen«, wollte Inez gerade anheben. »Ich kann nicht …« Da sah sie Morton Phiblings gelben BMW am Randstein vorfahren. Der Chauffeur stieg aus und hielt seinem Brötchengeber die Tür auf.
    Wilde Gedanken schossen ihr durch den Kopf. Sie könnte Woodhouse wie einen heimlichen Liebhaber in einer französischen Komödie in der kleinen Küche oder sogar in einem Schrank verstecken. Leider stand Morton bereits im Laden. Noch ein Mann auf der Suche nach seiner Verlobten. Dann fragte er auch schon nach ihr: »Wo ist sie, die hervorbricht wie die Morgenröte, schön wie der Mond?«
    Inez durchzuckte ein völlig unwichtiger Gedanke. Dieses ganze Zeug musste er wohl vor jedem Auftritt auswendig lernen. Anfänglich wusste sie nicht, was sie sagen sollte, doch dann kam ihr eine Idee. »Zeinab hat gestern aufgehört, hier zu arbeiten.«
    Konnte man Woodhouse möglicherweise auf den Gedanken bringen, sie habe zwei Orientalinnen bei sich beschäftigt? »Ich dachte, das wüssten Sie.«
    Aber Morton machte ihr einen Strich durch die Rechnung. »Jetzt fällt es mir wieder ein. Was bin ich nur für ein Narr! Meinen eigenen Hochzeitstag zu vergessen. Langsam muss ich den Verstand verlieren.«
    Woodhouse ging auf ihn zu. »Reden Sie von Ayesha?«
    »Zeinab.«
    »Ist ein und dieselbe«, meinte Freddy beflissen.
    Woodhouse streifte ihn mit einem Blick, aber sein nächster Satz galt Morton. »Nun mal heraus mit der Sprache. Wollen Sie sagen, Sie heiraten morgen meine Braut?«
    »Nein, ich heirate meine Braut. Das schönste Mädchen auf der Welt, Zeinab oder Ayesha oder was auch immer. Mir ist das egal. Heute«, fuhr er verzückt fort, »sieht sie noch wie die Miss World aus, aber morgen wird sie Mrs. Phibling sein.«
    Woodhouse versetzte ihm einen ziemlich zittrigen linken Haken. Instinktiv stieß Inez einen Schrei aus. Morton taumelte, hielt sich aber auf den Beinen. Während Inez auf ihrem Rückzug hinter dem Schreibtisch Deckung suchte und Woodhouse anbrüllte, sein Gegner sei ein älterer Herr, er dürfe nicht mit einem Mann raufen, der doppelt so alt sei wie er, ging Morton mit beiden Fäusten auf ihn los. Trotz ihrer Besorgnis war sie von Mortons Können beeindruckt. Dann wusste sie plötzlich, wer er war. Während all seiner Besuche im Laden hatte sie sich gefragt, wo sie ihn schon einmal gesehen hatte. Vor Jahren, vielleicht vor fünfunddreißig Jahren, war er Boxweltmeister im Bantamgewicht gewesen. Ihr erster Ehemann hatte sie ein-, zweimal zu Kämpfen mitgenommen. Damals hatte der Boxer nicht Morton Phibling geheißen, sondern Morty

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