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Der Duft des Bösen

Der Duft des Bösen

Titel: Der Duft des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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geringsten Widerwort nach; im Gegensatz dazu war es für sie eine angenehme neue Erfahrung, dass ihr Algy die Angelegenheit mit Entschiedenheit aus den Händen genommen hatte. Seine eigenmächtige Aktion war eine spannende Überraschung. Am liebsten hätte sie ihm etwas Hübsches gekauft. Vielleicht würde sie ihren Verlobungsring verkaufen, wenn sie erst mal in Pimlico wohnten. Das letzte Schmuckstück von den vielen Geschenken ihrer reichen Bewunderer, das sie noch besaß.
     
    Eines musste man Freddy lassen; er war immer pünktlich. Eher sogar zu früh, dachte Inez. Kaum hatte sie den Wasserkessel aufgesetzt, tauchte er auch schon in seinem mausgrauen Arbeitsmantel auf.
    »Falls Sie sich Sorgen gemacht haben sollten«, sagte er, »möchte ich Sie wissen lassen, dass ich die volle Zustimmung meiner Frau habe, um Ihnen im Laden zur Hand zu gehen.«
    »Freddy, das habe ich für selbstverständlich gehalten.« Sie schenkte ihm eine Tasse Tee ein und gab Zucker dazu. »Letztes Mal hatte Ludmilla auch nichts dagegen.«
    »Ja, aber jetzt ist sie meine Frau, da liegen die Dinge anders. Eine Ehefrau befindet sich, möchte man sagen, in einer geheiligten Position. Außerdem wäre da noch eine ziemlich heikle Angelegenheit, Inez. Da ich mich hier nun sozusagen in offizieller Funktion befinde, auch wenn ich diese nicht überbetonen möchte, wäre noch die winzige Kleinigkeit meines Gehalts zu besprechen.« Freddy hob mahnend die Hand. »Nicht jetzt. Nach unserer Teestunde bleibt noch genug Zeit für geschäftliche Verhandlungen.«
    »In diesem Fall«, erwiderte Inez, »wäre da auch noch die winzige Kleinigkeit einer Mieterhöhung zu bedenken, da Sie beide hier nun auf Dauer als Ehepaar wohnen.«
    Das sich daran anschließende Streitgespräch endete nicht sehr befriedigend. Inez erklärte sich einverstanden, die Miete nicht zu erhöhen, solange Freddy für sie arbeitete, dafür würde sie ihm aber deutlich weniger zahlen als Zeinab. »Sie werden nicht vergessen, dem Sozialamt Mitteilung zu machen, ja?«
    »Vertrauen Sie mir«, sagte Freddy mit einem beruhigenden Lächeln.
    Der Morgen war kalt, aber klar und sonnig, doch das wollte nichts heißen. So fing es immer an, und dann schüttete es mittags wie aus Kübeln. Trotzdem stellte sie den Bücherständer ins Freie, wobei sie sich einen Knoten ins Gedächtnis machte, beides im Auge zu behalten, die Bücher und die Wolken, die in ein bis zwei Stunden aufziehen würden.
    Jeremy Quick hatte vor seinem Weg zur Arbeit nicht auf eine Tasse Tee vorbeigeschaut. Das letzte Mal war bereits mehrere Wochen her, und auch in der Arbeit war er sicher schon mindestens eine Woche nicht mehr gewesen. Immer wieder hatte sie ihn flüchtig gesehen, wobei er nicht krank gewirkt hatte, eher im Gegenteil. Er war die Treppe hinauf- und hinuntergeflitzt und dann strammen Schritts die Straße hinuntermarschiert, Richtung Edgware Road. Eine halbe Stunde später war er wieder da, blieb zehn Minuten oben und war dann schon wieder weg. Obwohl sie seine Kündigung nur allzu gerne angenommen hätte, fand sie, sie hätte kein Recht, ihn auf die Straße zu setzen. Er zahlte seine Miete, machte keinen Lärm, feierte keine Mitternachtspartys. Außer ihrer wachsenden Antipathie gegen ihn und ihrer Abscheu vor seinen kalten grauvioletten Augen und seinen Lügen sprach eigentlich nichts gegen ihn.
    Zu ihrer Überraschung schien Freddy auf Kunden einen ziemlich guten Eindruck zu machen. Sie hatte ihn stets als Belastung empfunden, doch als sie jetzt von der Straße herreinkam, betrachtete sie ihn für einen kurzen Moment mit anderen Augen. Eigentlich wirkte er in seinem Arbeitskittel ziemlich professionell, als er ein venezianisches Trinkglas im Gegenlicht betrachtete. Wie ein pensionierter Auktionator oder ein gelernter Handwerker, dem ein Nebenverdienst gut tat. Eben war eine Frau mit Filzhut hereingekommen. Zufrieden schaute Inez zu, wie Freddy ihr ein viktorianisches Barometer verkaufte.
    »Besser als diese Wetterfritzen im Fernsehen«, meinte er, während er ihren Einkauf in Packpapier einwickelte. »Die liegen in neun von zehn Fällen daneben, aber dieses kleine Ding kann sich nicht irren.«
    Der nächste Besucher gehörte zu einer Spezies Mensch, die sie nur selten zu Gesicht bekamen: ein dreißigjähriger großer breitschultriger Mann mit Lederjacke und Jeans. Seine ziemlich langen fuchsroten Haare hatte er zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden. Noch während Inez überlegte, wonach er wohl suchen mochte –

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