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Der Duft des Bösen

Der Duft des Bösen

Titel: Der Duft des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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zwei, drei Minuten und meinte beim Gehen, er käme dann am Montag wieder, denn unter ihren Schätzen befänden sich mehrere Dinge, die er sich unbedingt ansehen wolle.
    »Inez, er verehrt Sie, das sieht man sofort«, sagte Freddy.
    »Das ist doch absurd.«
    »Na schön, sehen Sie es, wie Sie wollen. Der arme alte Freddy hat wie immer Unrecht. Aber wir werden ja sehen.«
    Eigentlich hatte sie sich am selben Abend gleich mit zwei Forsyth-Filmen verwöhnen wollen. Doch als es so weit war, als sie sich ein Glas Wein eingeschenkt hatte und gemütlich vor dem Bildschirm saß, machte sie keinerlei Anstalten, den Knopf an der Videotastatur zu drücken. Stattdessen stellte sie sich die Frage, ob diesem Trauerkult über die natürliche Zeitspanne hinaus nicht etwas Morbides anhaftete. Viel zu lange hatte sie sich den Träumen von einer längst vergangenen, perfekten Liebe hingegeben, die unwiederbringlich vorbei war. Wie hieß es so schön? Höchste Zeit für den nächsten Schritt.
    Sie nahm ein Buch zur Hand, das sie schon vor Monaten gekauft, aber nie angesehen hatte, und schlug es auf.

28
    Jedes Mal hatte er eine andere Garrotte verwendet. Das erste Mädchen hatte er mit ihrer eigenen Silberkette erwürgt. Selbstverständlich hatte er damals nichts anderes zur Hand gehabt, denn als er aufgebrochen war, hatte er nicht im Mindesten geahnt, dass er Gaynor Ray oder eine andere Frau töten würde. Auch beim nächsten Mal war es Winter gewesen, und er hatte ein Stück Elektrokabel verwendet, das sich zufällig in seiner Manteltasche befand. Nie hatte er seine Abendspaziergänge mit dem Vorsatz angetreten, jemanden zu töten. Und doch wäre er später vielleicht gar nicht spazieren gegangen, wenn nicht die vage Aussicht darauf irgendwo unter der Oberfläche seines Bewusstseins gebrodelt hätte. So aber hatte er immer etwas bei sich, was diesem halb unbewussten Zweck dienen konnte, ein Stück Seil, eine kurze Kordel, einen Stoffstreifen. Trotzdem hatte er nie konkret daran gedacht, einem Mädchen zu folgen und es mit einem dieser Werkzeuge nach seiner Methode zu töten. Es ging lediglich darum, dass er die Möglichkeit dazu hatte. Andernfalls hätte er bei passender Gelegenheit vielleicht durchgedreht. Manchmal malte er sich aus, wie er dies einem Polizisten oder einem Anwalt zu erklären versuchte, falls man ihn erwischen sollte, und wie unbegreiflich so etwas braven und rechtschaffenen Bürgern erscheinen würde, die selbst nie in Versuchung gerieten. Noch vor nicht allzu langer Zeit war er selbst rechtschaffen gewesen, da war er sich ganz sicher.
    Diesmal steckte er die Garrotte bewusst in die Tasche, ein Stück Elektrokabel, vielleicht das effizienteste Werkzeug. Man hatte eine dieser Taschen aus glänzendem Synthetikstoff gewünscht, die wenig wiegen und nichts kosten. So etwas bekam man manchmal auf Konferenzen als Behälter für Dokumente und Broschüren geschenkt. Jeremy musste seine kaufen. Als Selbstständiger hatte er nie an solchen Veranstaltungen teilgenommen. Nur einem Wunsch der Erpresser war er nicht nachgekommen: die Tasche mit fünftausend Pfund aus verschiedenen Quellen zu füllen. Diesmal enthielt das gewünschte Behältnis – jadegrün und schwarz, mit einem unidentifizierbaren Logo auf der Vorderseite – lediglich Zeitungspapier in Banknotengröße.
    Mit Ausnahme der Überlegung, welche Verkleidung sie diesmal wählen würde, zerbrach er sich über das Mädchen nur sehr wenig den Kopf. So weit er es beurteilen konnte, gab es nur ein einziges Risiko: Er könnte sich geirrt haben, und sie hätte Helfershelfer. Würden ihr aber die anderen in dem Fall gestatten, das Erpressergeld höchstpersönlich einzusammeln? Würden sie im Wissen um seine Neigungen zulassen, dass sich ein und dieselbe Person, obendrein eine Frau, immer wieder einer höchst realen Gefahr aussetzte? Würden sie dann nicht einen von ihnen schicken, einen Mann? Würde dann nicht einer der Männer bei ihm anrufen und die Forderungen stellen? Seiner Ansicht nach hatte sie verzweifelt versucht, Jeremy von der Existenz ihres Freundes zu überzeugen. Warum hatte er nicht den Mund aufgemacht und sich zu erkennen gegeben, wenn er da gewesen war? Und warum hätte sie dann auf eigene Faust angerufen?
    Weil sie die Sache allein durchzog und etwas Ähnliches vermutlich schon einmal getan hatte. Wenn sie erwürgt in einer Gartenanlage hinter einer Seitenstraße in Marylebone lag, warum sollten Polizei und Medien nicht selbstverständlich annehmen, es

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