Der Duft des Bösen
einiges für sie erledigen.«
»Das tut mir Leid.« Eigentlich hatte Inez sagen wollen, ihrer Meinung nach solle sich Zeinab zu den seltenen Gelegenheiten entschuldigen, an denen sie pünktlich war, und nicht bei einer Verspätung, was täglich vorkam. Doch das brachte sie angesichts von häuslicher Gewalt nicht übers Herz. »Wie geht es deiner Mutter?«
»Hat überall blaue Flecken«, meinte Zeinab. »Sie meinte, sie will es der Polizei melden, aber bei ihr ist alles nur Gerede. Das macht sie nie.«
Mit ausgedrückter Zigarre kam Morton Phibling wieder in den Laden. »Meine Liebste, meine Schöne, sieht heute Morgen noch viel schöner aus denn je. Der Lenz ist herbeigekommen, und die Turteltaube lässt sich hören in unserem Lande.«
»Turteltauben singen nicht«, sagte Zeinab und fuhr dann deutlich freundlicher fort: »Wir sind heute Abend im Le Gavroche zum Essen verabredet, richtig?«
»Richtig, mein Augenstern. Außerdem möchte ich, dass du meinen Freund Orville kennen lernst. Er wird nur fünf Minuten hereinschauen und sich vorstellen. Er brennt darauf, dich zu treffen. Leider erholt er sich gerade von seiner zweiten Scheidung und ist ein wenig gedämpfter Stimmung.«
»Das ist der, dem die ganzen Hotels gehören, oder?«
Einem schärferen Beobachter als Phibling wäre nicht entgangen, dass Zeinabs Augen heftiger funkelten als sonst. Er aber sah nur die langen, langen Haare, die roten, leicht geöffneten Lippen und den weißen Flauschpulli. »Das stimmt«, sagte er. »Außerdem gehört ihm ein Fünf-Sterne-Hotel auf den Bermudas, das sich auf Hochzeiten spezialisiert hat. Ich dachte, wir könnten uns vielleicht überlegen …?«
»Warum nicht?«, rief Zeinab glücklich, während sie aus Phiblings Händen die Schmuckschachtel entgegennahm.
Samstags ruhte die Arbeit, also blieb Will normalerweise lange im Bett. Der bevorstehende Abend machte ihn weder nervös noch empfand er große Vorfreude. Er war nur ängstlich darauf bedacht, sich ordentlich zu benehmen und das zu tun, was man von ihm erwartete. Vor langer Zeit – damals hatte er noch im Kinderheim gelebt – hatte er einen Fernsehfilm gesehen, in dem ein junger Mann bei einem Rendezvous einem Mädchen einen Blumenstrauß mitbrachte. Auch Will hatte Becky manchmal Blumen mitgebracht und hatte erlebt, wie sie einer Freundin einen Strauß Narzissen geschenkt hatte. Vielleicht sollte er Kim Blumen kaufen.
Er stand auf und machte sich Frühstück, wie es ein Kind tut, das vom Kochen keine Ahnung hat: Cornflakes und eine Scheibe Mischbrot mit Marmelade. Mehrere Scheiben. Als ihn Becky nach seinem Weihnachtswunsch gefragt hatte, hatte er einen Toaster erwähnt. Leider hatte sie ihm keinen geschenkt. Warum, wusste er nicht, denn immerhin hatte sie ihm einen Wasserkocher und sogar eine Mikrowelle geschenkt. Mit einem Gaskocher hatte er wirklich nicht gerechnet, so etwas war zu teuer. Nach dem Frühstück spülte er seine Teller und den Becher, aus dem er seine Milch getrunken hatte. Danach kam der Wohnungsputz: alles abstauben und die Böden saugen. Im Bad putzte er zwar Waschbecken und Badewanne, aber nicht die Dusche, das konnte warten, bis er sie benutzt hatte. Er war mit Becky einkaufen gewesen und hatte sich Rasierklingen besorgen wollen, aber das passte ihr nicht. Stattdessen hatte sie ihm einen Elektrorasierer gekauft. Er rasierte sich zwar nicht täglich, aber heute würde er es tun, bevor er mit Kim ausging.
Ein schöner Tag kündigte sich an. Schon jetzt war es schön. Der blaue Himmel war mit kleinen, ganz weißen Wolken getupft, die Sonne strahlte, und überall sprossen Blumen – sogar in der Edgware Road. Nun war es tatsächlich Frühling. Außerhalb des Viertels konnte man noch mehr Anzeichen erkennen. Auf seinem Spaziergang durch die Church Street und die Lisson Grove hinauf bis Grove End sah Will in den Gärten der großen Häuser Narzissen sprießen, auch wenn er den Namen der weißen Blumen mit dem orangefarbenen Inneren nicht kannte. Auch andere sah er, deren rote Knospen gerade aufgingen. Tulpen waren das, das wusste er. Hyazinthenduft lag in der Luft, und dort, wo die Grove End Road in einer Kurve von der Abbey Road abbog, stand vor einem Wohnhaus ein voll erblühter, rosaroter Baum.
In der St. John’s Wood High Street betrat er einen Blumenladen und kaufte für Kim einen Strauß Veilchen, weil sie so fein dufteten und ziemlich klein waren. Sie würde sie mit ins Kino nehmen und während des Films daran schnuppern. Außerdem
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