Der Duft des Bösen
weiß es nicht.« Will wusste nicht, was er sonst sagen sollte.
»Weißt du, Will, da machst du einen Fehler. Einen großen Fehler machst du da, und das sage ich nicht nur, weil Kim meine Schwester ist.« Keith drehte das Radio leiser. »Also, ich bin ein ganzes Stück älter als du und ein Familienmensch mit allem Drum und Dran. Deshalb wirst du schon wissen, dass ich’s nur gut mit dir meine, sonst würde ich es nicht sagen. Du siehst gut aus, schön, trotzdem bist du nicht bei jedem Mädchen Hahn im Korb. Ich schätze, das weißt du. Aber Kim mag dich wirklich, und sie ist ein braves Mädchen. Die gehört nicht zu den Flittchen, die mit allem herumziehen, was Hosen anhat, oder besser gesagt, was sie aushat.« Er schmunzelte über seinen eigenen Witz und genau genommen auch über seine weltmännische Erfahrung. »Also, warum überlegst du’s dir nicht noch mal, he? Eine solche Chance läuft dir vielleicht nie mehr über den Weg.«
Will hatte kaum ein Wort verstanden. Die Vergleiche vom Hahn im Korb und den Hosen waren, wie bei jeder Umschreibung, restlos an ihm vorbeigegangen. Da er nicht wusste, was er sagen sollte, sagte er: »In Ordnung.«
»Fein. Das hör ich gern. Weißt du, ich hätt’s ja nicht gesagt, wenn mir nicht dein Wohl am Herzen liegen würde. Und jetzt, wo mir leichter zumute ist, läute ich am besten mal bei meiner Frau an. Schau mal auf die Uhr.«
Will verschwendete keinen weiteren Gedanken an die Sache. Eines begriff er schemenhaft: Keith wusste, dass er Kim erklärt hatte, am Samstag könne er nicht mit ihr ausgehen, weil er zu Becky ginge. Und das passte Keith aus irgendeinem Grund nicht. Außerdem sah Will ein, dass er tatsächlich hätte gehen können, denn inzwischen waren seine Besuche bei Becky auf Freitag und Sonntag festgelegt. Er hatte nicht die Wahrheit gesagt, und das bereitete ihm ein wenig Bauchschmerzen. War Keith deshalb am Anfang sauer auf ihn gewesen? Das beklommene Gefühl hielt nicht lange an. Ihm gingen andere, weitaus wichtigere Dinge durch den Kopf.
Heute sah der Tag beim Heimkommen ganz anders aus als gestern. Die Sonne schien, es war warm wie im Hochsommer, kein Lüftchen regte sich. Man hatte das Gefühl, als kündige sich eine längere Schönwetterperiode an. Will sehnte sich danach, wieder im Freien zu sein und endlich die Sache anzupacken. Leider war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, um mit dem Umgraben eines Gartens anzufangen. Überall wären Leute draußen, würden arbeiten und in Liegestühlen oder auf der Haustreppe herumsitzen. Niemand dürfte sein Geheimnis wissen. Becky müsste die Erste sein. Er musste warten. Mindestens bis acht Uhr. Während er seinen Tee aufbrühte und ein Schokocroissant und ein Stück Mandelkuchen auf einen Teller legte, versank er in Träumen vom nächsten Wochenende. Wenn es immer noch schön wäre, könnte er vielleicht mit Becky nach Primrose Hill hinauffahren oder sogar zum Heath, wie sie das schon mal an einem Sommertag gemacht hatten, und dann von Kenwood nach Highgate laufen. Dort würde er ihr von dem Schatz und ihrem Haus erzählen, und dass sie ihre Arbeit aufgeben und auf dem Land leben könne, nur sie beide, für immer.
Für ein großes Abendessen war er viel zu aufgeregt. Ein Rührei auf Toast genügte. Allmählich ging die Sonne unter und überzog den westlichen Himmel über dem Park mit einem weichen orange-rosa Ton. Er wickelte den Spaten in Plastiktüten, die er mit Gummibändern fixierte. Zuluetas Auto war nicht da, dafür stand ein anderes weiter unten an der Straße, das er wiedererkannte, weil Crippen auf dem Beifahrersitz saß. Will dachte sich nicht viel dabei. Zu Fuß machte er sich auf den Weg in die Sixth Avenue und genoss dabei die Abendruhe und die Wärme, die immer noch da war.
Für den Transport des Schatzes würde eine Tüte genügen, vielleicht auch zwei. Den Spaten bräuchte er nicht mehr, für den hätte er keine Verwendung mehr. Sollte er je wieder einen haben wollen, um zum Beispiel in ihrem Garten auf dem Land zu arbeiten, hätte er so viel Geld, dass er sich nach Lust und Laune sämtliche Geräte der Welt kaufen könnte. Allerdings durfte er nichts überstürzen. Vielleicht bräuchte er mehr als einen Abend, um den Schatz zu finden und zu bergen. Er versuchte, seine Begeisterung zu zügeln, aber es gelang ihm nicht. Wie ein Kind war er nicht sonderlich fähig, sich in Selbstdisziplin zu üben. Als er das Haus erreichte, an dem die Bauleute gearbeitet hatten, hatte sich seine körperliche
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