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Der Duft des Bösen

Der Duft des Bösen

Titel: Der Duft des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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wären, würde der Polizist dort drüben sie holen. Diesen Satz wiederholte Will eines Tages in aller Unschuld vor Monty. Danach sahen sie diese Dame aus irgendeinem Grund nie wieder, aber es war schon zu spät. Die Angst vor Männern in dunkelblauen Uniformen mit Silberknöpfen und blau-weiß karierten Mützen sollte ihm für immer bleiben. Der Mann neben ihm im Auto war so gekleidet, und schon bald erstarrte Will vor Angst.
    Auf der Polizeiwache setzten sie ihn in einem kahlen Raum an einen Metalltisch, und der Mann namens Zulueta bot ihm eine Zigarette an. Er konnte kein Polizist sein, denn er trug keine Uniform. Will hatte nie geraucht und wollte höflich ablehnen, brachte aber keinen Ton heraus. Crippen kam herein. Zulueta drückte an einem Kästchen, das ein bisschen an Keiths Radio erinnerte, auf einen Knopf und sagte: »Verhörbeginn, zweiundzwanzig Uhr dreißig. Anwesend: William Charles Cobbett, Detective Inspector Brian Crippen, Detective Sergeant Finlay Zulueta und Police Constable Mark Heneghan.«
    Da sonst niemand da war, fand Will es zunächst gar nicht so furchterregend, doch dann warf er einen Blick zurück und sah direkt hinter der Tür einen Polizisten stehen. Er trug zwar keine Mütze, war aber uniformiert, und von seinem Gürtel hing etwas, das wie ein schwerer Stock aussah. Dieser Anblick ließ Will erzittern, obwohl sein ganzer Körper verkrampft war.
    »Wo ist sie?«, wollte Crippen von ihm wissen. Er sagte das mit einem Seufzer, als sei er sehr müde.
    Will hatte keine Ahnung, wer diese »sie« war. Beim Versuch, danach zu fragen, brachte er keinen Ton heraus. Der Uniformierte brachte ihm ein Glas Wasser. Will trank ein bisschen, aber seine Stimme blieb weg.
    Crippen stellte ihm die gleiche Frage noch einmal, mit denselben Worten, und sagte dann: »Wo ist Jacky Miller? Was haben Sie mit ihr gemacht?«
    Will konnte nur den Kopf schütteln. Zulueta fragte ihn, was er mit einer Mädchenleiche gemacht habe, und wollte dann wissen, wo er dem Mädchen, tot oder lebendig, die Ohrringe abgenommen hatte. Wann hatte er die Ohrringe in den Laden gelegt? Lag ihre Leiche im Schuppen in der Sixth Avenue? (Dass es nicht so war, wussten sie. Sie hatten den Schuppen durchsucht, bevor Will dort eingetroffen war.) Keine dieser Fragen konnte er beantworten. Einerseits brachte er keinen Ton heraus, andererseits ergaben sie für ihn keinen Sinn. Stumm saß er da und schaute keinen von ihnen an, sondern fixierte mit starrem Blick ein Loch in der Fußleiste, das wie ein Mauseloch aussah. Will mochte Mäuse, auch wenn er sie fast nur vom Fernsehen her kannte. Am liebsten wäre es ihm gewesen, wenn eine vor seinen Augen den Kopf herausgestreckt hätte. Vielleicht würden sie ihn heimgehen lassen, wenn er weiter das Loch anschaute und an Mäuse dachte.
    »Wenn Sie weiter so stumm sind«, sagte Crippen, »wird Ihnen das nichts nützen, das wissen Sie.« Warum hatte der Mann nicht wenigstens um einen Anwalt gebeten? Nun, er würde ihm weder erzählen, dass er darauf ein Recht hatte, noch dass er telefonieren durfte, wenn er darum bäte. »Sie machen Ihre Lage nur noch schlimmer.«
    Zulueta wollte wissen, ob Will ein Grab gegraben hätte. Für wen war dieses Grab bestimmt? Wenn nicht für Jacky Miller, wofür dann?
    Wenn Will hätte sprechen können, hätte er ihnen von dem Schatz erzählt. Auch wenn er ihn deshalb mit ihnen hätte teilen müssen. Aber er brachte kein Wort heraus. Vielleicht war es so am besten, vielleicht konnte er dadurch den Schatz am ehesten für sich und Becky behalten. Er starrte weiter auf das Loch, dachte aber nicht mehr an die Maus, sondern an den Schatz. Warum hatte er ihn nicht gefunden? Wo war er? War es möglich, dass ein anderer dort gewesen war und ihn ausgegraben hatte? Das glaubte er nicht, denn die Erde war eisenhart gewesen. Die hatte seit Jahren kein Spaten berührt …
    Zwei Stunden vergingen. Sie bekamen Tee und Kekse. Während sie aßen und tranken, bombardierten sie ihn mit Fragen. Er brachte nichts hinunter, keinen Bissen, keinen Schluck. Es war bereits nach ein Uhr nachts, als Zulueta der Maschine, die ein bisschen wie ein Radio aussah, sagte, das Verhör sei beendet. Will zitterte, weil man ihn einem echten Polizisten übergab, dem, der gleich hinter der Tür gestanden hatte. Man brachte ihn in eine Zelle mit einem Bett, einem Tisch und einem Eimer mit Deckel. Er war froh, allein zu sein, und setzte sich aufs Bett, dann legte er sich hin.
    Es war ziemlich kalt. Er zog die dünne

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