Der Duft des Bösen
Anwesenheit wären vielleicht Wochen vergangen, ehe jemand darauf gestoßen wäre. Andererseits war es entsetzlich, Crippen und Zulueta schon wieder im Laden zu haben.
»Allmählich sieht die Sache sehr ernst aus«, sagte Crippen düster.
»Da bin ich ganz Ihrer Meinung.« Inez gefiel der Blick gar nicht, den er ihr zuwarf.
»Damit wären es nun schon drei der vermissten Gegenstände, die man in Ihren Räumlichkeiten gefunden hat.«
»Was soll ich dagegen machen? Was erwarten Sie von mir? Ich habe sie nicht hier hingelegt.«
»Eigentlich sogar vier«, meinte Freddy, »wenn man bedenkt, dass es zwei Ohrringe sind.«
Man ignorierte ihn. Osnabrook traf ein und begann, gemeinsam mit Zulueta, erneut den Laden zu durchsuchen.
»Vielleicht müssen wir Ihren Laden schließen.« Crippen schüttelte krampfhaft den Kopf, so wie er es schon mehrfach getan hatte, seit er vor fünf Minuten hereingekommen war. »Möglicherweise wird es nötig sein, einen Befehl zu besorgen.«
Um welche Art von Befehl es sich handelte, wurde nicht näher erläutert. »Wozu soll das gut sein?«, fragte Inez. »Dann würde sie der unbekannte Täter doch nur woanders hinbringen.«
»Das stimmt.« Zulueta hatte sich hinten durch die Schubladen mit dem Schmuck gearbeitet. Nun war er nach vorne gekommen und flüsterte Crippen etwas zu.
»Verstehe, was Sie meinen«, sagte Crippen, wobei sich seine Miene plötzlich aufheiterte. »Warten wir doch mal ab, was der Tag noch so bringt.«
Von einer Sekunde zur anderen brachen sie die Suche ab und gingen.
»Was sollte denn das alles?« Obwohl Inez diese Frage ganz rhetorisch gemeint hatte, gab ihr Freddy eine Antwort.
»Die sind jemandem auf der Spur. Zweifellos einem, der hier in der Gegend wohnt. Inez, da hat es einer auf Sie abgesehen. Würde mich nicht überraschen, wenn es dieser Jeremy wäre.«
»Seien Sie nicht albern.«
»Würde mich absolut nicht überraschen.«
»Warum haben Sie dann zu Inspector Crippen nichts gesagt?«
»Einen Mitmieter verraten? So tief bin ich hoffentlich doch noch nicht gesunken.«
Inez erkannte, dass sie ihn beleidigt hatte, wahrscheinlich zum ersten Mal. Das hatte sie für unmöglich gehalten. Freddy war zur Ladentür stolziert und hinausgegangen, um Anwar Ghosh zu begrüßen, der zufällig vorbeiging. Plaudernd standen sie da, während Freddy seine Zigarettenpause genoss. Erstaunlich, wie unterschiedlich die Menschen auf Dinge reagieren, dachte Inez. Wie oft hatte sie ihm erklärt, er solle nicht albern sein und endlich die Finger von den Sachen im Laden lassen. Und mindestens einmal hätte sie ihn beinahe des Diebstahls beschuldigt. Nichts von allem hatte ihn provoziert. Die Unterstellung hingegen, er könnte vielleicht Jeremy Quick verpfeifen, einen Mann, den er kaum kannte und der seinerseits ihm gegenüber nicht einmal die übliche Höflichkeit hatte walten lassen, das war ihm unter die Haut gegangen. Na, egal, alles war völlig absurd, die Unterstellung genauso wie Freddys gesträubtes Gefieder.
Es war ein trockener und klarer Tag. Nachdem es viele Stunden ununterbrochen geregnet hatte, wirkten Gras und Blätter an den wenigen sichtbaren Stellen deutlich frischer und grüner. Auf Grund der Nähe zum Hyde Park gab es in der Kendal Street wesentlich mehr Rasenflächen und Bäume als in der Gegend jenseits der Edgware Road. Der Frischluftfanatiker Will, der auf dem Lande glücklich gewesen wäre, ging in der Mittagspause eine halbe Stunde ins Freie, spazierte durch den Park bis zur Peter-Pan-Statue in den Kensington Gardens und blieb volle fünf Minuten davor stehen. Diese Statue mit ihren Tieren und dem Elfenvölkchen liebte er. Dann musste er sich schleunigst auf den Rückweg machen, damit er nicht zu spät kam. Bis auf die Zeit, die er in Betrachtung von Peter Pan versunken gewesen war, hatte er nur an Beckys Haus gedacht. Vielleicht sollte es auf dem Lande liegen. Allerdings könnte sie dann nicht arbeiten gehen. Doch wenn er erst den Schatz hätte, müsste sie auch nicht mehr arbeiten. Heute würde es nicht regnen, das konnte man sehen; der Himmel sah überhaupt nicht danach aus. Um acht Uhr, gleich nach Sonnenuntergang, würde er droben in der Sixth Avenue sein.
Kim Beatty hatte er restlos vergessen, bis ihn Keith wieder daran erinnerte. »Hast du denn meine Schwester fallen gelassen?« Keith wirkte nicht allzu begeistert. Schon den ganzen Vormittag war er schweigsamer gewesen als üblich. »Ich meine, gehst du nicht mehr mit ihr aus?«
»Ich
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