Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Duft des Sussita

Der Duft des Sussita

Titel: Der Duft des Sussita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Scheer
Vom Netzwerk:
noch, sagte er, vielleicht noch für ein, zwei Tage.
    Wir sind schwach, sagte der magerste Soldat der Merkava-Panzer-Brigade, in diesem Zustand können wir uns kaum bewegen, von kämpfen ganz zu schweigen.
    Ich konnte feststellen, dass ihre Bäuche knurrten.
    Macht euch keine Sorgen, sagte ich den Soldaten, Onkel Sauberger ist schon unterwegs.
    Sie alle schienen erleichtert zu sein und salutierten.
    Je heftiger ich den Hunger zu vergessen versuchte, desto deutlicher war er zu spüren. Mitten in der nach Wüste aussehenden kahlen Landschaft, dazu noch im Libanon, im Kriegsgebiet, überraschte uns eine Schlange. Sie war klein und ungefährlich. Dagmar schrie, ich erschrak bis ins Mark. Nicht wegen der Schlange erschrak ich, sondern vielmehr von dem Schrei. Ein Schrei wie das hohe C einer Opernsängerin. Mir lief es kalt den Rücken hinunter. Dann schüttelten mich die Kälte und der Hunger.
    Wir sollten leise sein, ermahnte uns ein Soldat. Es sei strikt verboten zu schreien.
    Dagmar nickte. Ich auch.
    Kein Problem, sagte ich den Soldaten.
    Ich hasse Schlangen, sagte Dagmar, und Ratten und Spinnen und und und.
    Dagmar gefiel mir jetzt mehr als je zuvor. Mein Herz pochte schnell. Ich wollte sie haben. Jetzt. Hier in der von Leben pulsierenden Natur, in der zum Kriegsgebiet erklärten Zone wollte ich sie haben. Das Tier in mir wollte heulen.
    Es ist jetzt nicht die Zeit oder der Ort zu heulen, es wäre gefährlich, jetzt zu heulen, sagte ich mir, und alles begann sich zu drehen. Ich atmete tief durch.
    Es war nur eine ganz kleine Schlange, sagte ich zu Dagmar.
    Ungefährlich, sagte ein Soldat. Er zündete sich eine israelische Zigarette Marke Nobles an. Er entließ Rauch aus den Tiefen seiner Lunge und hustete. Und spuckte.
    Dagmar zitterte, vielleicht vor Angst und Kälte. Ich zitterte auch, obgleich ich mein Zittern verbarg oder es zu verbergen glaubte.
    Du zitterst, sagte Dagmar.
    Nö, sagte ich, mir ist überhaupt nicht kalt.
    Warum log ich?
    Auf einmal wurde es kalt und immer kälter.
    So ist es in der Wüste, sagte ich mir, wenngleich es überhaupt keine Wüste war, wo wir uns befanden.
    Ich ging zum Auto und brachte Dagmar eine Decke. Ich hüllte sie ein und küsste sie zart auf die Lippen. Ich setzte mich neben Dagmar. Nur das Wehen des Windes war zu hören.
    Der Mond war voll und beleuchtete die Gegend wie eine Laterne.
    Wenn der Mond voll ist, sagte ich, kann man sich etwas wünschen, und der Wunsch wird wahr werden.
    Tatsächlich, sagte Dagmar fragend.
    So sagt man …, sagte ich. Willst du dir etwas wünschen?
    Dagmar schloss die Augen.
    Dann blinzelte sie und küsste mich.
    Es herrschte Totenstille, bis sich das Geräusch eines Autos näherte. Es war Onkel Sauberger. An seiner Seite David Metzger, den er mit Dagmar und den Soldaten bekannt machte.
    Warum seid ihr so traurig?, fragte Onkel Sauberger.
    Ich zeigte auf meinen Bauch.
    Mein Lieber, sagte Onkel Sauberger, ihr seid hier im Libanon und habt nichts zu essen. Ihr seid in einem fremden Land und habt Hunger. Solch junge und nette Soldaten hier ins Niemandsland zu schicken, in diese von Gott verlassene wüstenartige Landschaft zu schicken, euch hierherzuschicken, sagte Onkel Sauberger, ohne dass ihr etwas zu essen kriegt, so etwas … was sagen Sie dazu, Herr Metzger?
    David Metzger blieb still.
    Es ist unglaublich, mein Lieber, du lieber Gott, ihr seid hier in der Wüste und habt nichts zu essen. Wenn man so etwas vor einigen Jahren erzählt hätte, wenn man gesagt hätte, dass man die Soldaten in die Wüste oder in eine wüstenähnliche Region schickt und sie hungern lässt, was hätte man dann zu hören bekommen … es ist ja unglaublich, dass ihr hier seid, ohne Essen … egal, meine lieben Freunde, egal, Onkel Sauberger und Herr Metzger haben für euch gesorgt.
    Wir sind viele Stunden gefahren, sagte Onkel Sauberger, aber das macht nichts, es ist überhaupt nicht der Rede wert, Herr Metzger kam mit mir, damit ich mich nicht langweilen musste, es ist ja eine lange Fahrt, aber das wisst ihr ja, eine lange Fahrt von Tel Aviv in den Libanon, aber machbar, durchaus machbar, und was sind schon ein paar Stunden Fahrt gegen das Hungern unserer Soldaten.
    Ich habe im Radio und Fernseher ein wenig über die Situation hier im Libanon gehört, etwas Vages, etwas ganz Obskures, sagte Onkel Sauberger. Ich habe es nicht für bare Münze genommen, ich muss gestehen, dass ich diese Sache mit dem Catering nicht geglaubt habe, aber jetzt sehe ich klar und

Weitere Kostenlose Bücher