Der Duft des Sussita
Tiere brüllten sie einander an.
Ich konnte kaum fassen, dass der Marokkaner, dessen Körper vollständig gelähmt war, nicht weniger stark, vielleicht noch stärker und aggressiver als Onkel Sauberger brüllte. Nur Augen und Mund konnte er bewegen. Und er bewegte seinen Mund und brüllte, während seine Augen beängstigend groß und rot wurden.
Eine Krankenschwester kam herein, bat die beiden, mit ihrem starken russischen Akzent, um Ruhe.
Ihr seid in einem Krankenhaus und nicht auf dem Markt, sagte die Krankenschwester.
Die beiden wurden still.
Danke, sagte die Krankenschwester und verließ das Zimmer.
Nun sahen sie mich.
Komm, sagte Onkel Sauberger, dies hier ist mein guter Freund Buzaglo.
Onkel Sauberger zeigte auf den Gelähmten.
Er redet viel Unsinn, sagte Onkel Sauberger, aber er ist ein netter Kerl, der Buzaglo.
Und du, fragte der Marokkaner Buzaglo, redest du nicht auch viel Unsinn?
Doch, sagte Onkel Sauberger.
Die beiden lächelten. Ich musste auch lachen.
Sie haben mich vergiftet, sagte Onkel Sauberger plötzlich zu mir. Spaß wollten meine sogenannten Freunde mit mir treiben. Es war aber kein Scherz und kein Spaß, vergiftet haben sie mich, diese Bastarde.
Als Onkel Sauberger kurz Atem holte, hörte ich jemanden schnarchen. Buzaglo schlief mit weit geöffnetem Mund. Er sah wie ein Toter aus. Nur das Schnarchen deutete darauf hin, dass er noch lebte. Das Schnarchen eines Toten, dachte ich.
Meine sogenannten Freunde, fuhr Onkel Sauberger fort, haben mir eine Portion Hühnerfleisch gegeben. Sie ließen mich dieses Hühnerfleisch essen. Ich sagte ihnen, bitte nicht. Kein Hühnerfleisch, sagte Onkel Sauberger. Bitte nicht. Danke schön, aber bitte nicht. Ich esse nur Schweinefleisch. Nur Schweinefleisch.
Ich weiß nicht, ob ich es dir schon erzählt habe, sagte Onkel Sauberger, als ich noch ein kleines Kind war, habe ich auch Hühnerfleisch gegessen. Nicht nur Schweinefleisch wie heute. Eines Tages aber schlachtete meine Mutter mein Lieblingshuhn. Ich weinte. Wollte nichts mehr essen. Ich gelobte, fortan kein Hühnerfleisch mehr zu essen. Niemals mehr wollte ich Hühnerfleisch essen. Niemals. Ich habe ein Gelübde abgelegt. Kein Hühnerfleisch mehr. Und seit diesem Tag habe ich kein Fleisch mehr gegessen. Mit einer Ausnahme: Schweinefleisch. Ach, du kennst diese Geschichte bestimmt längst, oder? Egal.
Onkel Sauberger ging langsam zum Fenster. Er sah hinaus. Im Zimmer herrschte jetzt Stille. Buzaglo schnarchte nicht mehr. In diesem Moment wurde mir bewusst, wie schön es tatsächlich war, einen Freund wie Onkel Sauberger zu haben. Unvermittelt ging ich zu ihm und legte meine rechte Hand auf seine Schulter. Dann setzte ich mich auf den Stuhl, der sich zwischen seinem und Buzaglos Bett befand. Ich konnte feststellen, dass Buzaglo noch lebte. Ich machte mir Sorgen um ihn, er könnte ja tot sein, dachte ich, aber ich sah, dass sein Bauch sich bewegte. Kein Zweifel. Er lebte. Ich atmete auf.
Er schnarcht nicht, aber er atmet, sagte Onkel Sauberger.
Dies waren genau meine Gedanken.
Ich kratzte mich am Kopf.
Keine Frage, sagte Onkel Sauberger, meine sogenannten Freunde, diese Bastarde, haben mich vergiftet. Vergiftet. Mit Hühnerfleisch haben sie mich vergiftet. Hühnerfleisch kann mein Körper nicht ertragen. Ich bin allergisch dagegen.
Onkel Sauberger sah mir tief in die Augen. Er ließ seinen Blick auf mir verweilen, er sagte, ich sei ein Mann geworden, vor kurzem sei ich noch ein Kind gewesen, er könne sich noch gut an mich als Baby erinnern. Dann setzte er sich unvermittelt in Bewegung, wie ein Bär lief er zu mir, kniff mir in die Wangen wie so viele Male zuvor in meinem Leben, die Wangen taten auch diesmal weh, sie waren rot, sie glühten, dann ließ er meine Wangen los und betrachtete seinen Freund Buzaglo, der nun wieder anfing zu schnarchen. Er stand jetzt neben mir.
Jetzt siehst du, sagte Onkel Sauberger, wie es einem Menschen, der unter Hühnerfleischvergiftung leidet, geht. Nicht gut gehe es ihm, schlecht gehe es ihm, sagte Onkel Sauberger, sehr schlecht gehe es jemandem, der eine Hühnerfleischvergiftung erleben muss. Es sei die Hölle, sagte er, nicht nur die Vorhölle, es sei kein Luxus wie die Vorhölle, es sei die Hölle selbst, an einer Hühnerfleischvergiftung zu leiden. Die Hölle.
Nun fühle ich mich aber besser, versicherte mir Onkel Sauberger. Leider muss ich noch einige Zeit im Krankenhaus verbringen. Die Ärzte, sagte Onkel Sauberger, haben wegen meiner
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