Der Duft des Sussita
deutlich, ich sehe jetzt mit meinen eigenen Augen, dass es wahr ist. Die Geschichte ist wahr!
Mein Neffe hat es mir erzählt, sagte Onkel Sauberger, mein Neffe erzählte es mir gestern, er sagte, und auch Dagmar sagte, die beiden sagten mir, Dagmar und mein Neffe, sie sagten, dass die Soldaten im Libanon kein Essen bekommen, weil die Catering-Firma sich fürchtet, das Essen zu liefern.
Ich sagte ihm, sagte Onkel Sauberger, ich sagte meinem Neffen, meinem Neffen und auch Dagmar, die beiden sind jetzt hier, wir alle sind hier … macht euch keine Sorgen, sagte Onkel Sauberger zu den Soldaten, es ist ganz furchtbar, es ist eine Katastrophe, was hier los ist, aber wir sind auf dem Weg … dem Weg aus der Misere …
Onkel Sauberger hielt einige Augenblicke inne, atmete tief und nickte leicht mit dem Kopf. Dann fuhr er fort: Ich sagte zu ihnen, zu Dagmar und meinem Neffen, nein, das kann nicht sein, was redet ihr für einen Unsinn. Sagte ich das oder nicht?
Dagmar bestätigte das Gesagte mit ihrem Blick.
Ich sagte, sagte Onkel Sauberger, ich sagte, so etwas könne nicht wirklich passieren, es sei eine Einbildung, sie bildeten sich diese Sache bloß ein, so sagte ich zu Dagmar und meinem Neffen, so sagte ich, ich könne es nicht glauben, es war für mich ausgeschlossen, so einen Unsinn zu glauben!
Aber jetzt sehe ich, was ich sehe, sagte Onkel Sauberger, und ich behaupte tatsächlich, dass es genauso ist, wie Dagmar und mein Neffe mir gesagt haben, nämlich so, dass hier die Soldaten Hunger haben … mein Lieber … was für eine Geschichte, eine unglaubliche Geschichte und trotzdem eine wahre. Ajajaj.
Onkel Sauberger und David Metzger hatten so viel Essen mitgebracht, dass es für eine ganze Armee gereicht hätte. Sie hatten alle erdenklichen Fleisch- beziehungsweise Wurstsortimente dabei. Und auch Wein. Rot und weiß. Rosé auch. Dazu Maccabi- und Goldstar-Bier. Bisli und Bamba zum Naschen.
Am Anfang wollten die Soldaten nicht trinken, aber nachdem sie sich satt gegessen hatten, hatten sie Durst.
Sie aßen und fraßen, fraßen mehr, als sie aßen, von Metzgers Grillspezialitäten, sie aßen so wild, als hätten sie niemals zuvor etwas gegessen. Eine ganze Weile hatten sie in der Tat nichts gegessen.
Esst noch, bitte esst noch Fleisch, drängte Onkel Sauberger die Soldaten.
Sie gehorchten.
Die Soldaten leckten ihre schmutzigen Finger und lachten. Nach einigen Stunden verabschiedeten sich zwei Soldaten von uns. Sie waren müde und konnten sich kaum noch bewegen. Sie wollten schlafen. Also zogen sie sich in den Panzer zurück.
Kurz danach hörten wir einen Soldaten ganz deutlich. Er schnarchte. Seine Kollegen, die anderen zwei Soldaten, die noch mit uns saßen, sagten, es sei schwierig, mit dem Schnarchen des Kollegen klarzukommen.
Wie eine Bombe hört es sich an, sagte der eine lächelnd und gähnte. Der andere nickte ein.
Als auch die übrig gebliebenen in den Panzer gingen, sagte Herr Metzger:
Das sind ja alles noch Kinder. Man schickt diese Kinder in den Krieg, man schickt diese Kinder in den Tod, das machen die Politiker.
Sie sind noch Kinder, diese lakonischen Worte David Metzgers klingen mir bis heute in den Ohren, scharf und appetitlich, wie ein gut zubereitetes Schakschuka und Hummus.
HUNGER
Die einzelnen Spitäler sind selbstverständlich mit der Zentrale telephonisch verbunden, und es wird durch rechtzeitige Vorkehrungen dem gelegentlichen Platzmangel vorgebeugt. Wir müßten uns ja schämen, wenn ein Leidender von Spittel zu Spittel wankte, wie es ehemals vorkam. Ist ein Krankenhaus voll, so stehen im Hofe Wagen, um den neuankommenden Patienten in die nächste aufnahmsbereite Anstalt zu bringen. Theodor Herzl, »Altneuland«
Als ich Onkel Sauberger im Krankenhaus besuchte, in seinem Zimmer, das er mit einem gelähmten, aus Marokko stammenden Juden teilte, saß er unruhig auf seinem Bett und schüttelte den Kopf.
Nein, sagte Onkel Sauberger, auf gar keinen Fall.
Doch, sagte der gelähmte Marokkaner leidenschaftlich.
Onkel Sauberger und der Marokkaner stritten miteinander, naturgemäß laut, wie es in diesem Erdteil üblich ist, im Nahen Osten redet man laut und mit den Händen, ja, mit dem ganzen Körper redet man hier, so redete auch der Onkel und sein Mitbewohner.
Und beide hatten recht. Je lauter, desto mehr.
Sie hatten mein Erscheinen im Zimmer gar nicht wahrgenommen. Ich schloss die Tür hinter mir und beobachtete dieses seltsame Drama. Krankenhausdrama. Wie wilde
Weitere Kostenlose Bücher