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Der Duft von Hibiskus

Der Duft von Hibiskus

Titel: Der Duft von Hibiskus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
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hinter ihrer Stirn nach, und sie fühlte sich nicht mehr wie ein Stück Trockenfleisch. Auch ihre Arme mussten die Erfrischung spüren, nichts leichter, als sie bis zu den Ellbogen einzutauchen, und wer würde es schon sehen, wenn sie ihre Schuhe auszog und die Strümpfe, wenn sie ihren Rock raffte und einige Schritte ins Wasser ging …
    »Nur bis zu den Knien«, hörte sie Scheerers tiefe Stimme hinter sich. »Es sei denn, Sie wollen den Krokodilen ein zartes Nachtmahl bescheren.«
    Emma stieß einen spitzen Schrei aus, war wie der Blitz aus dem creek gesprungen und sah sich, tropfnass und mit aufgelöstem Haar, Carl Scheerer gegenüber. Während sie ihn mit weit aufgerissenen Augen anstarrte, im Kopf dieses eine Wort – Krokodil! –, kam sie langsam wieder zur Besinnung.
    Wie eine Vision stand ihr das Bild ihrer Mutter vor Augen. Die Mutter machte ein bekümmertes Gesicht und sagte: »Manchmal denke ich, Kind, all meine Versuche, dich zu bändigen, sind frucht- und nutzlos.« Wie oft hatte Emma sich das anhören müssen! Und in diesem Moment, am anderen Ende der Welt, musste sie zugeben, dass die Mutter recht gehabt hatte.
    Carl Scheerers Blick glitt rasch über ihre nasse Gestalt, dann wandte er sich taktvoll ab.
    Emma senkte beschämt den Kopf. Sie hätte gerne wie ein kleines Mädchen gesagt: »Ich kann nichts dafür, ich bin ins Wasser gefallen«, oder »Das macht man so in Stuttgart, wo ich herkomme.« Nur dass es nichts nützen würde. Carl Scheerer kannte die Wahrheit genauso gut wie sie: Junge Damen, egal ob aus Stuttgart oder sonst woher, zeigten sich niemals in einem Zustand, der dem glich, in dem Emma sich momentan befand. Höchstens der eigene Gatte durfte eine Dame mit feuchtem, offenem Haar sehen, barfuß und tropfend.
    Ludwigs Küsse auf ihrem nassen Mund, das heiße Wasser schwappt über den Wannenrand auf den Boden, ihre Gefühle schwanken zwischen Angst und Lust …
    Scheerer sagte: »Ihr Verlobter nimmt es mit seinen Pflichten Ihnen gegenüber nicht sehr genau. Er hätte Sie vor der hiesigen Tierwelt warnen müssen.« Er blickte zu Oskar hinüber, der mittlerweile plaudernd mit Pagel und Krüger am Ufer stand, und schüttelte den Kopf. Dann wandte er sich wieder an Emma: »Sehen Sie das da hinten?«
    »Den Baumstamm im Wasser?«
    »Das Krokodil im Wasser.«
    »Oh!«
    »Seien Sie um Gottes willen nicht mehr so leichtsinnig, Fräulein Röslin. Wir sind hier nicht am Neckar, und ein creek ist keine Badewanne.«
    »Ich weiß«, sagte Emma mit dünner Stimme. Mehr brachte sie nicht heraus.
    Zum ersten Mal, seit sie hier war, dankte sie der australischen Sonne für ihre Kraft, denn als die Forscher sich ans Errichten des Lagers machten, waren Emmas Haare und Kleidung bereits getrocknet. Die Haarspangen hatte sie im Ufergras nicht wiedergefunden, doch sie behalf sich damit, ihre Locken zu einem langen Zopf zu flechten.
    »Hübsch«, lächelte Oskar, als sie gemeinsam die Pferde absattelten. »Ich wusste gar nicht, dass dein Haar bis zur Hüfte reicht.«
    »Woher auch?« Emma lachte unsicher.
    Er stimmte in ihr Lachen ein und warf ihr einen Blick zu, der ihr kaum besser gefiel als das Zwinkern am Vormittag.
    Nach den Pferden kamen die Zelte an die Reihe. Für jedes Zelt wurden zwei Bäume gesucht, zwischen die Oskar und Emma Leinen spannten. Der schwere Zeltstoff wurde darüber geworfen, starke Äste – sie zu suchen war Emmas Aufgabe – dienten als Formgeber. Heraus kam eine leidlich stabile Konstruktion, die Oskar mit Schnüren und Zeltpflöcken verankerte. Nachdem er den letzten Pflock des zweiten Zeltes in den Boden geschlagen hatte, richtete er sich auf und klopfte sich zufrieden den Staub von der Hose.
    »Fertig, meine Liebe. Du wirst zwar nicht so weich schlafen wie im Gasthaus, aber es ist ungleich romantischer.«
    Emma dachte an die Krokodile und daran, dass es hier bestimmt auch Schlangen gab. Sehr romantisch. Doch sie unterdrückte ihre Furcht und sagte tapfer: »An harte Schlafstätten bin ich ja mittlerweile gewöhnt. Härter als die Betten auf dem Schiff und im Gasthaus kann auch der Boden nicht sein.«
    Und meine Träume nicht schlimmer, fügte sie stumm hinzu.
    Sie begann, ihr Zeichenmaterial auszupacken, und brachte es zusammen mit Kernseife, Zahnpulver und Zahnbürste in ihr Zelt. Ob sie wohl noch einmal zum Ufer gehen und sich waschen sollte? Aber dies vor den Forschern zu erledigen – undenkbar! Sie würde eine versteckte Stelle suchen müssen. Am besten wartete sie, bis es

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