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Der Duft von Hibiskus

Der Duft von Hibiskus

Titel: Der Duft von Hibiskus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
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vor Mäusen hatte ihr noch nie gegraust, und sehr anders sah das kleine Wesen nicht aus. Neugierig betrachtete Emma das zitternde Tierchen. Als sie den Beutel entdeckte, rief sie: »Oh, dann ist das ja gar keine Maus! Ist das etwa ein Känguru?«
    Oskar lachte. »Nein, die sind schon etwas größer. Das hier scheint mir ein unbekannter Beutler zu sein, jedenfalls habe ich noch nie einen dieser Art gesehen. Ich werde ihn Godeffroy schicken. Was für ein Glück! Kaum einen halben Tag im Busch, und schon die erste Jagdtrophäe …« Er lachte wieder, dann brach er dem Tierchen mit einem schnellen, hässlichen Knacken das Genick.
    Emma zuckte zusammen.
    Oskar sagte leichthin: »Den kannst du nachher zeichnen, Emma. Danach lege ich ihn in Alkohol ein. Godeffroy wird zufrieden mit uns sein.« Lächelnd fügte er hinzu: »Es gefällt mir übrigens, dass ich meine kleine Assistentin duzen darf. Unsere Schwindelei hat überaus angenehme Auswirkungen, hm? Ich denke, wenn man vertraulicher miteinander umgeht, als es sonst zwischen Herr und Dame üblich ist, kann sich das nur positiv auf die Zusammenarbeit auswirken.«
    Da bin ich mir nicht so sicher, dachte Emma und wandte den Blick von der kleinen Leiche in Oskars Hand ab.
    Sie versuchte, sich mit der stummen Versicherung zu beruhigen, dass das Verhältnis zwischen Oskar und ihr ein rein berufliches blieb, erfundene Verlobung hin oder her. Was machte es schon aus, dass sie sich duzten? Da sie darauf angewiesen war, dass er mit ihr als Assistentin zufrieden war, würde sie ihm seinen Willen lassen, solange dieser Wille nicht allzu unschicklich wurde.
    Oskar steckte den Beutler in seine Jackentasche, und Emma ertappte sich bei dem Gedanken, dass sie wenig Lust verspürte, das tote Tier zu zeichnen.
    Diese Empfindlichkeit wirst du dir schleunigst abgewöhnen!, ermahnte sie sich. Wenn Oskar wollte, dass sie nicht nur Pflanzen, sondern auch Tiere zeichnete, dann gehörte eben auch das zu ihrer Arbeit.
    Die nächste halbe Stunde stapften sie schweigend durch den Busch, nur die Vögel sorgten für lautstarke Unterhaltung. Bald hatte Emma sowieso das Gefühl, nicht mehr sprechen zu können, selbst wenn sie gewollt hätte: Der Durst wurde übermächtig, ihre Kalebasse aber war schon fast leer. Ihre Füße wurden immer schwerer, die Hand, mit der sie die Stute führte, immer kraftloser. Ihr Kopf glühte unter dem Strohhut, und vor ihren Augen flimmerte die Luft. Außerdem hatte sie seit dem kargen Frühstück im Gasthaus nichts mehr gegessen. Plötzlich stolperte sie über eine Wurzel und fiel auf den trockenen Boden, und als sie sich hastig wieder aufrappelte, tanzten Sterne vor ihren Augen. Carl Scheerer drehte sich stirnrunzelnd zu ihr um.
    Nur nicht ohnmächtig werden!, fuhr es ihr durch den Kopf. Nicht am ersten Tag! Nicht vor Scheerer! Nicht …
    Alles um sie herum wurde dunkel. Doch da war er auch schon neben ihr, fing sie auf und vertrieb die Schwärze. Behutsam half er ihr, sich auf den Boden zu setzen, und sie lehnte Kopf und Rücken gegen einen weißen Baumstamm. Scheerer öffnete rasch seine Kalebasse. Er schüttete ein wenig Wasser in seine Hände und rieb ihr damit das Gesicht ab. Vor ihrem Hals zögerte er kurz, dann benetzte er auch ihn mit Wasser.
    »Danke«, sagte sie leise, ohne ihn anzusehen.
    Sie schämte sich entsetzlich. Nicht deshalb, weil er sie so vertraulich berührt hatte – oder weil sich seine Hände auf ihrer Haut so angenehm angefühlt hatten. Sondern weil sie gleich in den ersten Stunden all seine Vorurteile über Frauen im Busch bestätigt hatte. Nun würde er sie nach Brisbane zurückschicken, bevor sie auch nur eine Nacht im Busch verbracht hatte. Gut gemacht, Emma!
    In diesem Moment hasste sie sich für ihre Schwäche.
    Da sagte Scheerer zerknirscht: »Verzeihen Sie mir, ich bin ein schlechter Leiter. Sie stundenlang laufen zu lassen! Ich hätte wissen sollen, dass Sie sich erst an das Klima hier gewöhnen müssen. Das war bei uns allen zu Anfang nicht anders.«
    Sie hob überrascht den Kopf. Er gab sich selbst die Schuld – für ihr Versagen?
    »Können Sie reiten, oder sollen wir unser Lager gleich hier aufschlagen?«, fragte er besorgt.
    »Natürlich kann ich reiten!« Emma schaute zu ihm hoch und wagte ein Lächeln.
    Er erwiderte ihren Blick ernst. Eine schwarze Strähne fiel ihm vor die blauen Augen, und er strich sie nachlässig zurück. Emma wurde bewusst, dass er sehr gut aussah, auch wenn ihm das ziemlich egal zu sein schien.
    Dann endlich

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