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Der Duft von Hibiskus

Der Duft von Hibiskus

Titel: Der Duft von Hibiskus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
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sich relativ leicht ausreißen ließen. Aber wie viele Federn so ein Vogel hatte! Im Nachhinein bedauerte Emma, dass sie es nie richtig gewürdigt hatte, wenn die Köchin daheim ein Huhn auf den Tisch gebracht hatte. Hatte sie sich je dafür bedankt? Nein, natürlich nicht.
    »So, kommen wir zur Sache«, sagte Scheerer. Er war bereits mit dem ersten Vogel fertig und griff nach dem nächsten. »Jeder von uns wird bestimmte Aufgaben übernehmen, damit der Tagesablauf sich reibungslos gestaltet und wir möglichst viel Zeit für unsere Forschungen haben. Also: Aufstehen werden wir mit dem lachenden Hans.«
    »Wer ist das denn?«, fragte Emma. Würde etwa noch ein Mann zu ihrer Gruppe stoßen? Warum wusste sie nichts davon?
    Scheerer grinste. »Ein Vogel. Man nennt ihn auch des ›Ansiedlers Uhr‹.«
    »Ach so.« Emma wurde rot.
    »Wenn es Ihnen recht ist, werden Sie für das Frühstück sorgen, Fräulein Röslin. Sie können Mehlfladen backen. Krüger, zeigen Sie Fräulein Röslin morgen früh, wie man das macht?«
    Krüger nickte. »Gerne. Es ist ganz einfach, Fräulein Röslin. Trotzdem bin ich froh, wenn von nun an Sie dafür zuständig sind. Seit ich mit Scheerer und Georg auf Expeditionen gehe, habe ich schätzungsweise fünfhundert solcher Fladen gebacken. Das reicht für ein Männerleben.«
    »Dann such dir nach der Hochzeit gleich eine gute Köchin«, feixte Pagel und boxte Krüger gegen die Schulter. »Deine Zukünftige bringt nicht einmal einen einfachen Eierkuchen zustande. Als die Köchin ihr die Grundlagen der Hauswirtschaft beibringen sollte, ist sie jeden Tag mit rot verweinten Augen rumgerannt. Die Köchin, nicht deine Kleine.« Er lachte laut.
    Krüger lachte halbherzig mit. Wie schon auf dem Dampfschiff wehrte er sich auch diesmal nicht gegen die Verunglimpfung seiner Liebsten. Seltsam, fand Emma.
    »Kennen Sie Krügers Zukünftige gut?«, wollte Oskar wissen.
    Pagel schmunzelte. »Das will ich meinen. Wenn auch nicht auf die Art, wie Krüger sie kennt.« Er warf seinem Freund einen vielsagenden Blick zu und fing wieder an zu lachen.
    Krüger wurde dunkelrot im Gesicht. Abrupt stand er auf, nahm die ersten gerupften Vögel an sich und verschwand mit einem gemurmelten »Muss sie ausnehmen« in der Dämmerung.
    »Bleiben Sie in Hörweite, Krüger!«, rief Scheerer ihm nach. »Wir sind immer noch bei der Tagesplanung!«
    Mit hängenden Schultern blieb Krüger stehen. Langsam drehte er sich um und kam zurück ans Feuer. »Entschuldigen Sie. Ich … Manchmal übermannen mich meine Gefühle. Es soll nicht wieder vorkommen.«
    »Das hoffe ich«, sagte Scheerer. Doch der scharfe Blick, der diese Worte begleitete, traf nicht Krüger, sondern Pagel.
    Ungerührt grinsten Pagel und Oskar sich an.
    »Kommen Sie, Herr Krüger, setzen Sie sich zu mir«, sagte Emma spontan. »Sehnsucht nach den Lieben daheim zu haben ist doch ganz normal. Dafür braucht man sich nicht zu schämen, finde ich. Auch nicht als Mann.«
    Krüger ließ sich neben Emma nieder. »Danke für Ihre guten Worte«, sagte er leise.
    Scheerer sah Emma über das Feuer hinweg aufmerksam an. Sofort biss sie sich auf die Lippen und drehte den Kopf weg. Hatte ihre eigene Sehnsucht ihre Stimme zu stark gefärbt? Ahnte der Leiter, dass Emma nicht freiwillig ein Leben gewählt hatte, das aus Lagerfeuern, blutigen Vögeln und dreckigen Kleidern bestand?
    Über ihnen hob Vogelgeschrei an. Froh über die Ablenkung legte Emma den Kopf in den Nacken. Was sie sah, entlockte ihr ein Lächeln: Hunderte von kleinen, grüngelben Vögeln bildeten eine farbige Wolke in der Dämmerung und flatterten dann davon.
    Es war ein wunderschöner Anblick.
    »Haben wohl Angst, gegrillt zu werden«, grinste Pagel und zerstörte damit Emmas andächtige Stimmung. Aufgeräumt sagte er: »Scheerer, alter Freund, was ist denn nun mit der Verteilung unserer Aufgaben? Mit dem Rupfen sind wir bald fertig, und sobald es hier nach Gebratenem riecht, kann ich an nichts anderes mehr denken als an meinen Bauch, das sage ich Ihnen.«
    »Dann mache ich’s kurz«, erwiderte der Leiter. »Fräulein Röslin, Sie backen also die Fladen und kochen Tee. Das Wasser dafür hole ich, außerdem sammle ich Holz und entfache ein neues Feuer. Crusius, Sie sammeln Früchte, die wir zu den Fladen essen können. Krüger, Sie übernehmen die Versorgung der Pferde. Pagel, Sie kümmern sich um die Ochsen.« Als Pagel protestieren wollte, sagte Scheerer rasch: »Ich weiß, bei unseren bisherigen Expeditionen waren

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