Der Duft von Hibiskus
dunkel war.
So ließ sie sich zunächst im Schatten vor ihrem Zelt nieder. Sie genoss es, nach den Strapazen der letzten Stunden ein paar Minuten lang einfach nur zu sitzen.
Wie glücklich es einen Menschen machen kann, dachte sie mit müder Belustigung, bewegungslos wie ein Fels auf dem Boden zu hocken!
Bald jedoch forderten lautstarke Unmutsbekundungen Emmas Aufmerksamkeit: Pagel und Krüger bemühten sich, die widerspenstigen Ochsen abzuladen, was denen gar nicht gefiel. Pagel musste ein ums andere Mal fluchend den gefährlichen Hörnern ausweichen. Krüger bekam derweil einen Huftritt gegen das Schienbein ab. Oskar eilte ihm zur Hilfe, um die erbosten Tiere zu bändigen, und Emma war heilfroh, dass sie selbst mit der Versorgung der Ochsen nichts zu schaffen hatte.
Derweil kümmerte sich Scheerer völlig gelassen um einen weiteren Ochsen und gleichzeitig um sein Pferd. Emma beobachtete ihn unter halb gesenkten Lidern. Bei Scheerer, fand sie, wirkte alles mühelos und gelassen. Im Nu hatte er die Tiere abgesattelt, ihnen die Vorderbeine zusammengebunden, damit sie sich auf ihrer Futtersuche nicht allzu weit vom Lager entfernten, und sie dann mit einem Klaps auf die mächtigen Hinterteile aus dem Dienst des Tages entlassen. Man sah Scheerer an, dass er Übung im Umgang mit Tieren hatte, aber das war es nicht allein. Irgendetwas ging von ihm aus, das die Tiere Vertrauen zu ihm fassen und ihm gehorchen ließ.
Mit den Händen auf den Hüften sah Scheerer Pferd und Ochsen nach, dann warf er einen Blick auf Pagel, Krüger und Oskar, die immer noch mit den Lasttieren kämpften. Er grinste, dann kam er zu Emma herüber.
»Wenn die Herren mit ihren Ochsen fertig sind, werden wir die Verteilung der täglichen Aufgaben besprechen«, informierte er sie. »Und wir müssen uns ums Essen kümmern. Unser Braten sollte geschossen sein, bevor es dunkel wird.«
»Warum wird es denn schon dunkel?«, wunderte sich Emma. »Wir haben doch Sommer, und es kann kaum sechs Uhr sein.«
»Hier geht die Sonne früh unter«, erklärte Scheerer. »Dafür wird es schon vor fünf Uhr morgens wieder hell. Das heißt für uns: früh ins Bett und früh aufstehen.«
»Und früh zu Abend essen«, sagte Oskar und trat händereibend zu ihnen. »Ich habe Hunger wie ein Bär. Wie steht’s mit dir, Emma?«
»Ich auch«, gab sie zu. Flüchtig dachte sie daran, dass Damen keinen Hunger verspürten, sondern höchstens Appetit.
Aber Damen schwitzten ja auch nicht, und sie zeigten sich auch nicht tropfnass einem fremden Mann.
»Dann hole ich uns mal einen Vogel vom Baum. Pagel leistet mir gewiss Schützenhilfe.« Oskar zwinkerte ihr zu. »Nicht dass meine kleine Assistentin wieder umfällt. Diesmal nicht vor Hitze, sondern vor Hunger.«
Eine Stunde später kehrten Oskar und Pagel gut gelaunt von ihrem Jagdausflug zurück. Sieben Vögel hatten sie geschossen, schöne, weiße Geschöpfe mit blau umränderten Augen. Einen davon drückte Oskar Emma in die Hand.
Sie hielt das noch warme Tier widerwillig an den dünnen Beinchen fest und fragte sich, was sie wohl mit ihm anstellen sollte.
Oskar sagte: »Mir ist schon klar, dass das in Stuttgart eure Köchin erledigt hat. Aber hier müssen wir den Vogel selbst küchenfertig machen, Emma. Oder besser: lagerfeuerfertig.« Er lachte.
»Du meinst, ich soll ihn rupfen?«
Oskar nickte. »Und was sonst noch so dazu gehört.«
Oh Himmel! »Ausnehmen muss ich ihn aber nicht?« Sie bemühte sich, den flehenden Unterton aus ihrer Stimme herauszuhalten.
»Auch ausnehmen musst …«, fing Oskar an, doch Krüger trat hinzu und unterbrach ihn: »Das übernehme ich. Für den ersten Abend im Busch ist das eine zu blutige Arbeit. Jedenfalls für eine Dame.«
Erleichtert lächelte sie Krüger an. »Dafür rupfe ich mit doppelter Geschwindigkeit. Versprochen!«
»Nicht schnell rupfen, sondern sorgfältig«, polterte Pagel. »Will nachher nicht auf Federn rumkauen!«
»Ich rupfe schnell und sorgfältig«, sagte sie bestimmt. »Sie werden schon sehen, Herr Pagel.«
Als sie jedoch wenig später alle zusammen um das prasselnde Feuer saßen, fragte sie sich, woher sie ihre Zuversicht eigentlich genommen hatte. So einen Vogel zu rupfen war eine Heidenarbeit! Wie Scheerer vorausgesagt hatte, dämmerte es bereits, und nicht nur Emma, sondern auch die Forscher beeilten sich, um im Hellen mit dem Rupfen fertig zu werden. Die Hektik machte die Arbeit nicht leichter. Zwar waren die Tiere noch warm, so dass die weißen Federn
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