Der Duft von Hibiskus
bisweilen den Arm um ihre Schultern und flüsterte ihr neckend ins Ohr: »Wir sind schließlich hochoffiziell verlobt, hm?«
Sie wagte es nicht, seinen Arm abzuschütteln, auch wenn ihr die Blicke der anderen unangenehm waren, vor allem der kühle Blick Carl Scheerers, aber auch der melancholische von Krüger und der anzügliche von Pagel. Meist fand sie nach einigen Minuten einen Vorwand, um aufzustehen und sich Oskars Berührung zu entziehen. Wenn sie dann wiederkam, ließ sie sich in sicherer Entfernung von Oskar nieder und hoffte, dass er nicht beleidigt war.
Doch nachts im Zelt, namentlich wenn sie wieder einmal einen Alptraum gehabt hatte und wach lag, kamen Befürchtungen in ihr hoch, dass Oskar die Schauspielerei irgendwann einmal übertreiben könnte. Wie sollte sie reagieren, wenn er einen Kuss von ihr forderte? Aber nein, beruhigte sie sich dann, das würde er nicht wagen. Oskar machte sich zwar einen Spaß daraus, sie als seine Verlobte zu präsentieren, doch er war, wie man hier in Australien sagte, nichtsdestotrotz ein Gentleman . Er würde niemals etwas von ihr verlangen, das die Grenzen der Schicklichkeit so weit überschritt.
So wie Ludwig?, fragte eine böse, spöttische Stimme in ihrem Kopf.
Das war etwas anderes, hielt sie reflexartig dagegen. Denn Ludwig hat mich geliebt. Er hat mich doch geliebt …
Die Einladung zum Abendessen hatte Anfang Dezember stattgefunden. Ludwig Heyn hatte sie gerne angenommen und saß nun mit seiner jungen Gattin Emma gegenüber.
Auguste Heyn war ein farbloses Geschöpf, dessen Gesicht man vergaß, sobald man sich von ihr abwandte. Sie trug ein violettes, hochgeschlossenes Kleid, und ihr mausbraunes Haar war zu einem festen Dutt zusammengefasst. Sie betrieb wohlerzogene Konversation mit Emma und ihren Eltern, lobte das Essen und stimmte Ludwig in allem zu. Wenn er sie unterbrach, hielt sie augenblicklich den Mund.
Emma fand sie unerträglich.
Das Wissen, dass Ludwig verheiratet war, hatte zwar Emmas Hoffnungen zerstört, nicht aber ihre Verliebtheit. Sie erkannte sich selbst kaum wieder: Jedes Mal, wenn er seine strahlenden Augen auf sie richtete, hüpfte ihr Herz, und jedes Mal, wenn er mit Auguste sprach, stieg eine absurde Eifersucht in ihr hoch. Ludwig behandelte seine Gattin mit freundlicher Herablassung, sie wiederum himmelte ihn sichtlich an.
Kein Wunder, dachte Emma niedergeschlagen. Wer könnte ihn nicht anhimmeln?
Ludwig war der Star des Abends. Er verstand es, überaus unterhaltsam aus seinem Leben als Komponist zu erzählen, und mit seinem Charme zog er nicht nur Emma in seinen Bann. Mit Frau Röslin plauderte er galant, mit Herrn Röslin geistreich, und alle am Tisch lächelten bewundernd, während sie seinen Anekdoten lauschten.
Emma wurde von ihren Gefühlen hin- und hergerissen. Sie bemühte sich um distanzierte Höflichkeit Ludwig gegenüber, vermochte ihre Freude aber kaum zu verbergen, wenn er etwas Nettes zu ihr sagte. Sie beobachtete genau, ob sie zwischen Ludwig und Auguste Zeichen echter Liebe entdeckte, und schalt sich für ihre Erleichterung, wenn er ihr, Emma, längere Blicke schenkte als seiner Frau. Was sie aß, bemerkte Emma kaum; dass sie zu viel Wein trank, auch nicht. Nichts war von Bedeutung als seine Anwesenheit, seine Worte, sein Lächeln.
Als die Heyns sich verabschiedet hatten und Emmas Eltern einander gegenseitig versicherten, was für ein gelungener Abend es doch gewesen sei, flüchtete Emma mit einer gemurmelten Entschuldigung in ihr Schlafzimmer. Mit klopfendem Herzen stand sie am Fenster und schaute auf die nächtliche Straße hinab. Sie sah Ludwig und Auguste, die gerade eine Kutsche bestiegen, und blickte dem Gefährt nach, bis es mit der Dunkelheit verschmolzen war. Emma ertappte sich bei dem Wunsch, an Augustes Stelle zu sein und mit Ludwig nach Hause fahren zu dürfen. In diesem Moment wusste sie, dass sie seine, und nur seine Frau sein wollte – wenn schon nicht offiziell, dann doch zumindest mit dem Herzen.
Der nächsten Klavierstunde sah Emma mit fiebriger Erregung entgegen.
Als Ludwig neben ihr saß, war sie so nervös, dass sie sich ein ums andere Mal verspielte, und als er sie deshalb milde tadelte, brach sie in Tränen aus.
Bestürzt sagte er: »Sollte ich mich so im Ton vergriffen haben, dass ich Sie zum Weinen bringe? Verzeihen Sie, Emma, ich scheine ein schlechter Lehrer zu sein.«
Sie schüttelte heftig den Kopf und weinte weiter. Es war ihr unendlich peinlich, aber die Tränen wollten mit Macht
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