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Der Duft von Hibiskus

Der Duft von Hibiskus

Titel: Der Duft von Hibiskus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
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Vögel und Beutler aller Art? Einem Fieber gleich befiel die Forscher die Sammelwut, und sie überboten sich gegenseitig darin, ihre Dosen, Kisten und Gläser zu füllen.
    Wer bei Emma im Lager bleiben musste, erledigte die Arbeit, die er sich sonst für den Abend aufgehoben hätte: Er besserte die Ausrüstung aus, flickte Sattelriemen und Kleidung oder kümmerte sich um das Wohl von Pferden und Ochsen. Scheerer schrieb außerdem täglich in sein Tagebuch, in dem er die Ereignisse und Forschungsergebnisse der Expedition minutiös einzutragen schien. Als Emma ihn einmal danach fragte, erzählte er ihr, dass die Kolonialregierung stets darauf erpicht war, seine Aufzeichnungen zu publizieren. Das brachte der Regierung nämlich nicht weniger Ruhm ein als Scheerer selbst.
    Emma zeichnete von morgens bis abends. Der erste Bleistift war bereits zu einem kleinen Stummel geschrumpft, und ihr Spitzmesser kam mehrmals täglich zum Einsatz. Gut, dass sie es nicht eingetauscht hatte, als der Wilde danach verlangt hatte! Ein Speer war zwar exotisch, für ihre Zwecke aber eindeutig nicht geeignet. Die Waffe des Wilden lag immer noch unbeachtet in der Baumhöhle, die seitdem niemand mehr betreten hatte. Oskar hatte ihr verboten, weiterhin dort zu malen, fast so, als wohne dem Baum nun ein böser Zauber inne.
    Wer, dachte Emma spöttisch, ist hier abergläubisch, der Wilde oder Oskar?
    Doch sie fügte sich seiner Anordnung. Schließlich ging es um Emmas Arbeit, und da hatte Oskar die Entscheidungsgewalt.
    Er machte auch ausgiebig davon Gebrauch. Wenn ihm eine Zeichnung nicht gefiel, so musste Emma vom entsprechenden Objekt sofort eine neue anfertigen. Wenn er auf ein bestimmtes Detail Wert legte, so hatte sie dieses Detail in den Mittelpunkt zu rücken. Wenn er ihre Farbanmerkungen durchlas und kritisierte, diese oder jene Blüte sei doch eher rot statt dunkelorange – dann strich sie eben »dunkelorange« durch und schrieb »rot« auf das Blatt. Allerdings konnte sie es nicht verhindern, sich in solchen Momenten nach ihrem Vater zurückzusehnen, hatte Herr Röslin ihr, nachdem er ihr etwas beigebracht hatte, doch weitgehend freie Hand gelassen und ihrem Können vertraut.
    Sie vermied es aber strikt, sich zu beklagen. Denn trotz Oskars demonstrativer Vorherrschaft über ihre Zeichnungen fühlte Emma sich, wie sie mit einigem Erstaunen feststellte, durchaus wohl im Busch. Die australische Natur faszinierte sie – all die Tiere, die den verrücktesten Träumen entsprungen zu sein schienen, und dazu die Pflanzen, die so gut mit den unwirtlichen Bedingungen zurechtkamen. Wenn Emma sie zeichnete, meinte sie, die Seele der Geschöpfe – ob Pflanzen oder Tiere – in sich selbst zu spüren, und die besten Zeichnungen waren zum Schluss stets die, mit deren natürlichen Vorbildern Emma sich am intensivsten verbunden hatte. Je mehr sie zeichnete, desto mehr liebte sie das, was um sie herum lebte und wuchs.
    Selbst mit der Hitze kam Emma nun gut zurecht. Zwar konnte sie beim besten Willen nicht mehr damenhaft-vornehm behaupten, sie glühe nur. Nein, sie schwitzte, und zwar ununterbrochen, aber sie litt nicht mehr so sehr darunter wie bei ihrem Aufbruch aus Brisbane. Schwindel und Ohnmacht gehörten der Vergangenheit an, in diesem Punkt kam Emma ihre von Natur aus gute gesundheitliche Konstitution zugute.
    Manchmal, wenn ihr die Kleider wieder einmal am Körper klebten, rief sie sich kopfschüttelnd in Erinnerung, dass sie sich in der Adventszeit befand. Dann empfand sie ihr gegenwärtiges Leben plötzlich als absurd und fremd. Sollte sie nicht durch Schneegestöber in die Kirche laufen, ihr Herz auf die Ankunft des Herrn vorbereiten und sich abends mit einer Tasse heißer Milch am Kamin wärmen? Spätestens jedoch wenn sie mit den Forschern um das Lagerfeuer saß, verging ihr Heimweh wieder. Das Knistern der Flammen, die tiefe Dunkelheit und dazu die warme Luft, die leisen, gelehrten Gespräche – all das vermittelte ihr das Gefühl, einen neuen Platz im Leben gefunden zu haben. Keine Heimat, das nicht; ihre Wurzeln waren und blieben wie abgeschnitten. Aber sie hatte zumindest ein Zuhause auf Zeit, ein Zuhause unter freiem Himmel. Das war weit mehr, als sie es sich auf der langen Reise über das Meer für ihre Zukunft erhofft hatte.
    Auch Oskar schien dieses Gefühl von Verbundenheit zu spüren. Bezog es sich bei Emma auf die ganze Gruppe, richtete es sich bei ihm allerdings nur auf sie. Wenn sie am Feuer beisammen saßen, legte er

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