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Der Duft von Hibiskus

Der Duft von Hibiskus

Titel: Der Duft von Hibiskus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
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heraus, was sie ihm natürlich nicht erklären konnte. Sie konnte ja schlecht sagen, dass sie jede Nacht von ihm träumte, dass sie sich ein Leben an seiner Seite ersehnte und seine arme Frau verfluchte. Dass sie tödlich erschrocken war über ihre Gefühle, über die Kraft dieser unerwünschten Liebe und über die körperlichen Empfindungen, die sie überfielen, wenn sie sich Ludwigs Küsse vorstellte. Sie war eine erbärmliche Sünderin, nichts anderes. Und da sollte sie sich auf ihr Klavierspiel konzentrieren?
    »Schschsch, nicht mehr weinen«, sagte Ludwig leise. »Du bist viel zu schön, um traurig zu sein.«
    Er hob die Hand und zog mit dem Zeigefinger die Linie einer Träne nach. Ganz langsam wanderte sein Finger von Emmas Auge über ihre Wange, immer tiefer, bis er ihren Mundwinkel erreicht hatte. Emmas Tränen versiegten, sie saß wie erstarrt. Träumte sie, oder passierte das wirklich? Sein Finger, der jetzt sanft ihre Oberlippe nachzeichnete, auf der Unterlippe zurückwanderte und dann, als er die Mitte ihres Mundes erreicht hatte, ihre Lippen öffnete …
    Sie träumte. Das musste ein Traum sein: die Hitze, die sich in ihrem Körper ausbreitete, das stürmische Herzklopfen, ihr betäubter Verstand. Sein Finger, der ihre Zungenspitze erkundete. Sein herber, betörender Geruch, ganz nah, und seine flüsternde Stimme an ihrem Ohr: »Ein so wunderbares Geschöpf wie du sollte den ganzen Tag lächeln, Emma. Lächeln und lieben, dafür bist du gemacht.«
    Emma vergaß, dass er verheiratet war, vergaß ihre Eltern, ihre Erziehung und ihre Moral. Sein Finger zog sich zurück, dafür war jetzt sein Mund da, und alles an ihren Körpern drängte zueinander. Das Glück pulsierte in Emma wie ein lebendiges Wesen, füllte sie vollkommen aus, und erst als Ludwig sich von ihr löste, wich der Traum langsam der Wirklichkeit.
    Schwer atmend sah er sie an, fuhr sich mit der Hand durch die zerzausten Haare. Mit rauer Stimme sagte er: »Verzeih mir. Du hast etwas an dir, das mich um den Verstand bringt, Emma. Verzeih mir.«
    Sie schaute in seine Augen, immer noch benommen vor Liebe und Erregung, und dachte, dass sie sich jetzt wohl schuldig fühlen musste. Aber es ging nicht. Alles, was sie spürte, war das Verlangen nach diesem Mann.
    Sie musste ihn einfach lieben, und wenn es ihr Untergang war.
    Das Weihnachtsfest nahte, doch keiner der Forscher schien diesem Umstand viel Bedeutung beizumessen. Auch Emma verdrängte ihre Erinnerungen und konzentrierte sich ganz auf die Gegenwart, zu der besinnliche Adventstage nun einmal nicht gehörten.
    Dafür gab es andere Freuden: Ausflüge an den Fluss zum Beispiel. Etwa jeden zweiten Tag wanderten sie alle zusammen schwer bepackt mit Kleidung, Seife und Wäscheleinen ans Wasser, um sich selbst und die Kleider einer gründlichen Reinigung zu unterziehen. Wobei man hier unter »gründlich« etwas anderes verstand als in Deutschland – wurden die Kleider doch nicht annähernd so sauber wie beim Wäschefest daheim. Aber sie rochen immerhin wieder besser, wenn man sie im Fluss geschwenkt hatte, und das war das Wichtigste. Emma hielt sich bei diesen Gelegenheiten etwas abseits von den Forschern, damit diese ihre schmutzige Wäsche nicht zu sehen bekamen. Sich selbst wusch sie stets in versteckten Winkeln, so dass die Männer sie zwar nicht beobachten, bei drohender Gefahr aber hören konnten.
    Alles in allem, fand Emma, war ihr neues Leben sehr zufriedenstellend geregelt. Auf den Komfort, den sie von daheim gewöhnt war, konnte sie erstaunlich gut verzichten. Sie wunderte sich selbst, wie unkompliziert es war, mit vier Männern im Busch zu leben.
    Schwieriger wurde es erst, als sie ihre Monatsblutung wieder bekam.
    Sie hatte lange ausgesetzt, wahrscheinlich wegen all der Aufregung, doch nun war es soweit, und Emma hatte ein Problem. Wie immer begann es mit leichten Schmerzen. Emma wusste, dass diese sich rasch verstärken würden, doch das war es nicht, was ihr Sorgen machte. Sie quälte etwas ganz anderes: Wie sollte sie sich viermal täglich unauffällig waschen, so wie die Mutter es ihr beigebracht hatte? Alle zwei Tage an den creek zu gehen reichte jetzt bei Weitem nicht mehr aus! Äußerste Hygiene war unabdingbar, wollte sie nicht krank werden. Schließlich war, wie jeder gebildete Mensch wusste, das Menstruationsblut giftig. Auch um ihre Stoffbinden musste sie sich kümmern. Trocknen konnte sie sie versteckt im Wald, aber waschen? Die Kelle voll Wasser, die jedem von ihnen morgens

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