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Der Duft von Hibiskus

Der Duft von Hibiskus

Titel: Der Duft von Hibiskus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
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beschützt.«
    Scheerer starrte ihn ungläubig an. »Auf Gott vertrauen? Ist das Ihre Auslegung davon, Verantwortung für eine junge Dame zu übernehmen, die noch dazu Ihre Verlobte ist?«
    » Meine Verlobte, genau«, versetzte Oskar. »Also kann auch ich entscheiden, was man ihr zumuten kann und was nicht.«
    Scheerer stand auf und blickte auf Oskar hinab. »Ich werde nicht zulassen, dass Sie Fräulein Röslin aus beruflichen Gründen in Gefahr bringen. Sie sollten sie zurück nach Brisbane bringen.«
    Oskar sagte aufgebracht: »Wer in den australischen Busch geht, der weiß vorher, dass es gefährlich werden kann!«
    Er erhob sich ebenfalls; drohend standen die beiden Männer sich gegenüber.
    »Emma ist nicht nur als meine Verlobte, sondern in erster Linie als meine Assistentin mitgekommen, und es war von Anfang an klar, was sie erwarten würde.«
    »Sie machen sich schuldig, Crusius!«
    »Und Sie nehmen es mit Ihrer Verantwortung für andere Menschen verdammt noch mal zu ernst! Welcher Teufel sitzt Ihnen im Nacken, Scheerer? Warum fühlen Sie sich so extrem verantwortlich für alles, was einen Rock trägt?«
    Scheerer wurde blass, und Emma sah, dass er die Fäuste ballte. Um Gottes willen, die beiden Forscher würden sich doch wohl nicht schlagen?!
    »Niemand braucht mich zu beschützen!«, rief sie aus. »Ich sorge schon für mich selbst. Es gibt keinen Grund, sich meinetwegen zu streiten. Und zum letzten Mal: Der Wilde – war – nicht – gefährlich!«
    Sie sah in die verblüfften Mienen der Männer und erkannte, dass keiner ihre Worte ernst nahm.
    Frustriert sprang sie auf. »Ach, verdammt!«
    »Die kann ja fluchen«, sagte Pagel erstaunt.
    Krüger meinte mit mildem Tadel in der Stimme: »Eine junge Dame sollte selbst fernab der Zivilisation niemals …«
    Abrupt drehte Emma sich um und entfernte sich von den Forschern, bevor sie etwas sagen konnte, was sie später bereuen würde. Nur kurz allein sein; weg von diesen Männern, die sie behandelten wie ein dummes Kind. War sie etwa kein erwachsener Mensch, auch wenn sie eine Frau war?
    Sie atmete tief durch und versuchte, sich zu beruhigen, doch die Gedanken in ihrem Kopf rasten. Was hatte sie denn erwartet? Sie war immer noch eine junge deutsche Dame, auch wenn sie vorübergehend im australischen Busch lebte. Dankbar sollte sie sein, dass man sie nicht gleich in Brisbane zurückgelassen hatte. Stattdessen wollte sie, dass die Forscher sie so ernst nahmen, als sei sie ein Mann! Das war wirklich zu viel verlangt. Froh sollte sie sein, dass man sie beschützte!
    Warum nur war sie dann so gereizt?
    Sie legte den Kopf in den Nacken und betrachtete den weiten nachtblauen Himmel. Mächtige Wolken hatten sich zusammengeballt, vielleicht würde es heute Nacht sogar regnen. Ob der australische Regen so warm war wie alles hier, wie die Luft und der sandige Boden? Ob er sanft und mild war? Oder heftig und kalt? Ihr wurde bewusst, dass sie sich auf etwas so Simples wie ihren ersten Regen im Busch freute.
    Ich bin gereizt, weil ich ständig Angst habe, dass ich zurück muss, dachte sie. Ich will nicht mehr auf Probe dabei sein, sondern so selbstverständlich wie die anderen auch! Ich will nicht mehr behandelt werden wie ein zartes Pflänzchen, das beim ersten Ungemach verwelkt.
    Eine innere Stimme flüsterte: Dann darfst du dich aber auch nicht mehr so verhalten. Scheerer hat schon Recht: Wer darauf besteht, eine Dame zu sein, hat im Busch nichts zu suchen.
    Nachdenklich schaute sie zurück zum Feuer. Ihr Auftritt hatte die Forscher offensichtlich verwirrt, denn sie standen unschlüssig herum und warfen ihr unsichere Blicke zu.
    Vielleicht war es ja ganz gut, dass sie geflucht hatte. Das hatte sicher niemand von ihr erwartet. Doch sie wusste auch: Wenn sie von nun an als vollwertiges Mitglied der Forschergruppe angesehen werden wollte, würde es mehr brauchen als unflätige Worte.
    Zum Beispiel durfte sie keine Sonderbehandlung mehr in Anspruch nehmen und sich nicht mehr vor unangenehmen Arbeiten drücken. Sie würde Vögel nicht nur rupfen, sondern auch ausnehmen müssen, sie würde zu Fuß gehen müssen, statt zu reiten, und sie musste lernen, mit dem Gewehr umzugehen und sich selbst zu beschützen.
    Aber konnte sie das alles überhaupt? Würden die Männer es ihr gestatten, dass sie sich als Abenteurerin gebärdete? Oder machte sie sich einfach nur lächerlich? Emma dachte an ihre Mutter, sah sie lebhaft vor ihrem inneren Auge: schön, sanft und von natürlicher Anmut.

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