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Der Duft von Hibiskus

Der Duft von Hibiskus

Titel: Der Duft von Hibiskus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
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Die Mutter hatte sich stets darum bemüht, ihre Tochter zu einer ebensolchen Zierde des Hauses zu erziehen, wie sie selbst es war. Und jetzt nahm diese Tochter sich vor, das Schießen zu lernen …
    Eine Zierde des Hauses nutzt hier niemandem. Wenn ich bleiben will, muss ich den Forschern eine Hilfe sein, dachte Emma. Sie straffte die Schultern und ging zurück zum Feuer. Tut mir leid, Mutter, aber hier und heute habe ich keine andere Wahl.
    Während des Abendessens war die Stimmung gedämpft. Pagel hatte mehrere rattenähnliche Tiere geschossen, die sie brieten und zusammen mit den unvermeidlichen Mehlfladen verzehrten. Saure Früchte bildeten den Abschluss des kargen Mahls.
    Pagel und Krüger unterhielten sich leise über die Pflanzen, die sie am Tage gesammelt hatten, und warfen ab und zu misstrauische Blicke ins dunkle Dickicht am Rande des Lagers. Wahrscheinlich vermuteten sie dort feindlich gesinnte Wilde. Oskar und Scheerer waren auffallend schweigsam und vermieden es standhaft, einander anzusehen. Mit Emma gingen sie vorsichtig und höflich um, und sie verhielt sich ebenso.
    Die erste Gelegenheit, sich zu beweisen, bekam sie schneller als gedacht. Die Forscher hatten vor dem Essen den Talg der rattenähnlichen Tiere ausgelassen und machten sich nun daran, im Schein des Feuers die Gewehrschlösser einzufetten. Wie selbstverständlich griff auch Emma nach dem Talg und einer der Waffen – Pagel besaß drei, die anderen immerhin je zwei – und begann mit der Arbeit.
    »Was tust du denn da?« Oskar ließ sein Gewehr sinken. »Möchtest du nicht lieber zu Bett gehen, meine Liebe?«
    »Keineswegs«, antwortete sie freundlich. »Ich muss doch lernen, ein Gewehr in Stand zu halten, wenn ich damit schießen möchte.«
    »Du möchtest was?«
    »Mich verteidigen können. Falls ich wirklich einmal in Gefahr gerate.«
    »Sie haben doch gar kein Gewehr«, sagte Krüger verständnislos.
    »Nein, aber es sind ja genügend da. Meinen Sie nicht, ich könnte eines der überzähligen Gewehre benutzen?«
    »Hab keines übrig«, sagte Pagel schnell. Natürlich, er trennte sich von keinem seiner Schätzchen!
    »Trittst du mir denn eines ab?«, fragte Emma Oskar und fuhr fort, den Talg zu verreiben. »Das zweite Gewehr ist doch sowieso nur ein Ersatz, falls das erste kaputtgeht, oder?«
    Oskar räusperte sich und strich sich verwirrt über den Schnurrbart. Dann schüttelte er den Kopf.
    »Du bist eine junge Frau. Du kannst nicht schießen.«
    »Noch nicht«, sagte sie. »Aber du wirst es mir beibringen, hoffe ich. Damit Herr Scheerer beruhigt ist, wenn ich alleine im Lager zurückbleibe.«
    Ihr Herz klopfte hart in der Brust und strafte die forschen Worte Lügen. Jetzt würde es sich entscheiden, ob ihre vorgespielte Selbstsicherheit die erwünschte Wirkung hatte.
    Eine kleine Ewigkeit lang sagte keiner etwas.
    Dann brach Scheerer das Schweigen mit den Worten: »Nein, es muss anders gehen. Ich habe mir während des Essens Gedanken gemacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass wir zusammenhalten und abwechselnd bei Ihnen im Lager bleiben müssen. Eine bessere Lösung fällt mir leider nicht ein.«
    »Aber ich sagte doch schon, dass das nicht geht!«, begehrte Oskar auf.
    »Wenn Sie damit nicht einverstanden sind, Crusius, müssen Sie Emma eben zurück nach …«
    »Nein«, unterbrach Oskar ihn genervt. »Sie geht nicht zurück nach Brisbane. Herrgott, dann wechseln wir uns eben ab!«
    »Pagel, Krüger, sind Sie damit einverstanden?« Scheerer blickte fragend in die Runde. Doch da er der Leiter war, blieb seinen Forschern kaum etwas übrig, als zähneknirschend ihre Zustimmung zu geben.
    Auch Emma knirschte mit den Zähnen. Ihre Meinung schien hier nicht gefragt zu sein. Ob sie sich nun daheim befand oder im Busch, nirgends wollte man ihr erlauben, die Grenzen, die ihrem Geschlecht gesetzt wurden, zu übertreten. Lieber ließen sich die Männer ihren gesamten Tagesablauf durcheinanderbringen, als es ihr zu gestatten, sich selbst zu verteidigen. Es war zum aus der Haut fahren!
    »Danke für Ihre selbstlose Hilfe«, sagte sie höflich zu den Forschern, konnte aber nicht verhindern, dass ihre Stimme eine Spur verärgert klang.

10
    S ie verweilten etliche Tage länger als geplant. Immer wieder verschoben die Forscher den Aufbruch, weil es einfach zu viel zu entdecken gab. Warum weiterziehen, wenn die Gegend um den creek herum vor fremdartigen Gewächsen strotzte? Wenn sie jeden Tag unbekannte Tiere aufstöberten, Insekten, Reptilien,

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