Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Duft von Hibiskus

Der Duft von Hibiskus

Titel: Der Duft von Hibiskus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
Vom Netzwerk:
heraus.
    Er lächelte; immerhin nahm er nun seinen Finger von ihrem Kinn. »Gewiss. Aber ich bin ein zahlendes Mitglied der Gruppe, und Scheerer hat Anweisung von ganz oben, mich mitzunehmen. Ob er mich als Lügner verachtet oder nicht, kann mir völlig egal sein. Du hingegen«, das Lächeln wurde breiter, »bist auf die Aufrechterhaltung unserer kleinen Posse angewiesen.«
    Emma senkte den Kopf. Er hatte recht, das war das Schlimmste. Die Lüge zuzugeben hieß, ihre fragile Stellung in der Gruppe sofort wieder zu verlieren. Ihre Existenz als Teilnehmerin der Expedition hing von Oskar ab, und sie konnte nichts, rein gar nichts dagegen tun.
    »Was verlangst du von mir?«, fragte sie und fixierte ihre Stiefelspitzen.
    »Nicht viel«, sagte er leichthin. »Nur, dass du meine Anweisungen befolgst. Und dass du etwas mehr … hm … Herzblut in deine Rolle als meine zukünftige Ehefrau legst.«
    Etwas an seinem Ton ließ sie aufschrecken, und sie hob ruckartig den Kopf.
    »Na, na, na«, tadelte er sie milde. »Ist das ein verliebter Blick? Wohl eher nicht. Lächeln, Emma, lächeln.«
    Er griff mit Daumen und Zeigefinger nach ihrem Mund und zog ihre Mundwinkel nach oben.
    »Siehst du, so sieht es doch schon viel besser aus. Und das übst du jetzt. Glaub mir, das ist ein besserer Zeitvertreib, als mit fremden Männern im Busch zu verschwinden und nass und besudelt zurückzukehren.«
    Bei den letzten Worten hatten sich seine Finger schmerzhaft in ihre Mundwinkel gebohrt.
    Reflexartig griff Emma nach Oskars Hand und riss sie von ihrem Gesicht.
    Er maß sie mit einem langen Blick, dann ging er.
    Emma sah ihm hilflos nach. Sie beobachtete Oskar, wie er die Früchte eines kleinen, verkrüppelten Baumes pflückte und dabei anfing, mit Pagel zu scherzen, als sei nichts geschehen. Unwillkürlich griff sie sich an den Mund.
    Da hörte sie Carl hinter sich raunen: »Er passt nicht zu dir, Emma. Überleg es dir gut, ob du so einen Mann wirklich heiraten willst.«
    Sie fuhr zu ihm herum. Hatte sie sich verhört, oder wagte Carl es wirklich, ihr solch einen intimen Ratschlag zu geben?
    Doch der Leiter sah sie nicht an, sondern ging an ihr vorüber, als habe sein Weg ihn nur zufällig in ihre Nähe geführt. Ob er sie und Oskar die ganze Zeit beobachtet hatte?
    Carl hatte sein Zelt fast erreicht, als er sich noch einmal zu ihr umdrehte.
    »Zieh dir was Trockenes an«, rief er ihr zu. Sein Blick wanderte zu Oskar, der sich gerade nach einer herabgefallenen Frucht bückte, und er fügte sarkastisch hinzu: »Wer krank ist, kann nicht zeichnen. Und das wird weder Godeffroy noch Crusius gefallen, schätze ich.«
    »Wie wahr«, sagte Oskar, richtete sich zu seiner vollen Größe auf und fixierte Carl mit schmalen Augen. »Ich würde Emma ungern verlieren, nur weil der Leiter dieser Expedition nicht auf sein Pferd aufpassen kann.«
    »So wie Sie nicht auf Ihres?«, erwiderte Carl ausdruckslos und wies mit dem Daumen zur Seite.
    Oskar schaute stirnrunzelnd zu der Stelle, wo eben noch sein Pferd gestanden hatte. Sie war leer; das nachlässig angebundene Tier hatte sich wohl auf der Suche nach schmackhafterem Futter selbstständig gemacht.
    Oskar fluchte unterdrückt und rannte los, um das Pferd einzufangen. Carl grinste und verschwand im Zelt.
    Auch Emma löste sich aus ihrer Erstarrung und ging langsam zu ihrer Behausung. Obwohl sie Oskar sein Missgeschick gönnte, war ihr nicht nach Grinsen zumute. Denn Oskar würde sein Pferd bald finden und zurückkehren, und dann würde er erwarten, dass sie ihre Rolle als seine Verlobte »mit mehr Herzblut« spielte. Emma schauderte, als sie sich vorstellte, was er darunter vermutlich verstand.
    Sie ahnte, dass diese Gewitternacht vieles verändert hatte. Und zwar nicht nur zum Guten.

12
    D er Sturm hatte den Lagerplatz in ein Schlammloch verwandelt, und so zogen sie weiter. Emma nutzte die allgemeine Geschäftigkeit des Aufbruchs, um rasch zur Baumhöhle zu gehen und ihr Spitzmesser neben den verwaisten Speer zu legen. Vielleicht würde der Wilde zurückkommen, wenn sie erst fortgezogen waren; dann sollte er ihr Messer finden, als Entschuldigung dafür, dass Oskar und Pagel ihn so sehr erschreckt hatten. Emma selbst würde sich für die nächsten Tage ein Messer von einem der Forscher leihen – ihres hatte sie eben offiziell verloren – und sich dann in Brisbane ein neues kaufen.
    Sie alle brauchten dringend Nachschub, nicht an Proviant, aber an wissenschaftlichem Material wie Dosen, Spiritus und Papier

Weitere Kostenlose Bücher