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Der Duft von Hibiskus

Der Duft von Hibiskus

Titel: Der Duft von Hibiskus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
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»sondern ein Befehl.«
    Sie biss die Zähne zusammen und nickte. Als sie widerstrebend zurückging, spürte sie Oskars Blick in ihrem Rücken.
    Im Zelt sah sie, dass der Wind bei ihrem überstürzten Aufbruch die Zeichnungen durcheinandergewirbelt hatte. Mechanisch machte sie sich daran, sie zu ordnen. Da fiel ihr das Bild Carl Scheerers in die Hände, das sie am creek gezeichnet hatte.
    Scheerer im Wasser. Halbnackt, schön und stark. Und sehr lebendig.
    Sie musste ihn suchen!
    Oskars Zelt war wieder geschlossen, als Emma zu ihrer Stute huschte. Kurz spielte sie mit dem Gedanken, einen der anderen Forscher um Hilfe zu bitten, doch sie verwarf ihn sofort wieder. Sie würde doch nur die gleichen Argumente zu hören bekommen wie von Oskar, und dabei würde sie wertvolle Zeit verlieren. Nein, sie musste alleine zurechtkommen.
    Princess schien sich zu freuen, sie zu sehen. Nun war Emma froh, dass Scheerer ihr ein solch phlegmatisches Tier besorgt hatte, denn das Gewitter schien Princess nicht übermäßig beunruhigt zu haben. Sie ließ sich brav satteln, und als Emma aufstieg und ihr dankbar zuflüsterte: »Na los, suchen wir Scheerer«, setzte sie sich willig in Gang.
    Der Boden war aufgeweicht, und sie kam nicht so schnell voran, wie Emma es sich gewünscht hätte. Sie ritt durch die dicht stehenden Bäume in Richtung Fluss, da Scheerer dorthin verschwunden war. Gottlob begann es zu dämmern, was es ihr ein wenig leichter machte, sich zu orientieren. Immer wieder schlugen ihr nasse Zweige ins Gesicht, und wenn sie trabte, schleuderten die Pferdehufe Schlamm gegen ihren Rock und ihr Cape. Doch das kümmerte sie nicht. Scheerer war vor vielen Stunden weggeritten, und sie war sich jetzt sicher, dass etwas passiert war. Sie musste ihm helfen, das stand außer Frage.
    Sie biss die Zähne zusammen und trabte das letzte Stück zum Fluss hinunter, während Äste und Gesträuch an ihren Kleidern rissen.
    Schon von Weitem hörte sie das Rauschen. Als sie den creek erreichte, wurde ihre Ahnung zur Gewissheit: Durch den heftigen Regen war aus dem ruhigen Fluss ein reißender Strom geworden. Voller Angst ritt Emma am Ufer entlang und suchte in der Morgendämmerung mit den Augen die schäumende Wasseroberfläche ab. Ihr Verstand sagte ihr, dass sie kaum eine Chance hatte, Scheerer zu finden. Er konnte überall sein, am Fluss, im Busch, ganz woanders, meilenweit entfernt. Doch sie klammerte sich an die Hoffnung, dass das ausgerissene Pferd am creek entlanggaloppiert war. Immerhin standen die Bäume hier weniger dicht, so dass es vielleicht instinktiv in der Uferzone geblieben war.
    Wo sollte Emma sonst auch suchen? Wenn sie den Flusslauf verließ, würde sie sich selbst verirren! Also ritt sie am Fluss entlang, weiter und weiter vom Lager weg.
    Und dann hörte sie ein Wiehern.
    Emmas Herz setzte einen Schlag lang aus, als sie den Pferdekopf in den Fluten erblickte – und die Umrisse Carl Scheerers am Ufer. Sie stieß Princess die Fersen in die Seiten und galoppierte los, hielt sich nur mit Mühe im Sattel und erreichte Scheerer Sekunden später.
    Er war klatschnass, umklammerte die Zügel seines Rappen und versuchte, ihn aus dem wilden Fluss das steile, sumpfige Ufer hochzuziehen. Orlando musste auf seiner panischen Flucht ausgerutscht und in den creek gestürzt sein, aus dem er jetzt nicht mehr herauskam. Der Hengst war wie von Sinnen. Verzweifelt kämpfte er darum, Tritt zu fassen, doch mit jedem gescheiterten Versuch schien er tiefer in Schlamm und Wasser zu versinken. Eine Welle überspülte seinen Kopf, er tauchte unter und wieder auf und wieherte in Todesangst.
    Emma sprang von ihrer Stute. In Windeseile band sie Princess an den nächsten Baum, rannte zu Scheerer und keuchte: »Was kann ich tun? Sagen Sie es mir!«
    Scheerer fragte nicht, wie Emma hierhergekommen war; für Fragen war keine Zeit.
    »Ich brauche ein Seil«, sagte er knapp. »Wenn ich es um Orlandos Oberkörper schlinge, schaffe ich es vielleicht, ihn herauszuziehen. Aber schnell, er hat nicht mehr viel Kraft. Er kämpft schon ewig.«
    Ein Seil? Woher sollte sie auf die Schnelle ein Seil nehmen? Emma überlegte fieberhaft. »Ich könnte eins aus dem Lager holen.«
    »Das dauert zu lange. Bis dahin ist er tot.«
    »Und wenn wir eine Stelle suchen, an der das Ufer fester ist?«
    »Was meinen Sie, was ich in den letzten Stunden getan habe? Ich bin sogar neben Orlando hergeschwommen, wenn an Land kein Durchkommen war.« Scheerers Stimme klang erschöpft. »Aber weit

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