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Der Duft von Hibiskus

Der Duft von Hibiskus

Titel: Der Duft von Hibiskus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
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für Emma. Zwar hatten die Forscher die Expedition auf acht Wochen angelegt, doch die Gegend um den creek war so ergiebig gewesen, dass Ochsen und Pferde bereits jetzt mit frischen und gepressten Pflanzen, eingelegten kleinen Tieren und Zeichnungen schwer beladen waren. So passte es allen gut, dass Carl entschieden hatte, die Gruppe nach Weihnachten zurück in die Stadt zu führen.
    Die folgenden Tage erlebte Emma mit gemischten Gefühlen. Schon bald hatte sich wieder stechende Hitze übers Land gelegt, und das tägliche stundenlange Laufen strengte sie an. Doch sie teilte sich ihr Wasser nun besser ein, und da ihr Körper sich mittlerweile an das australische Klima gewöhnt hatte, hielt sie den Strapazen recht gut stand.
    Als viel belastender empfand sie das feindselige Schweigen zwischen Carl und Oskar.
    Carl und sie duzten sich weiterhin, aber nur wenn keiner der anderen Forscher in der Nähe war. Sobald die Gefahr bestand, dass jemand sie hören konnte, wechselten sie zum förmlichen Sie. Carl hatte es recht bald so gehalten, und Emma war erleichtert darauf eingegangen, denn sie scheute sich vor einer erneuten Konfrontation mit Oskar.
    Wenn Carl und sie dann allein waren und sie ihn beim Vornamen nennen durfte, fühlte sie sich seltsam schuldig. Emma sagte sich stets, dass sie nichts Unrechtes tat. Weder war sie wirklich mit Oskar verlobt, noch war etwas Unzüchtiges zwischen Carl und ihr vorgefallen. Doch das Gefühl des Verbotenen blieb und erinnerte sie schmerzhaft an Ludwig.
    Obwohl Oskar von ihren Gefühlen nichts ahnen konnte, beobachtete er Emma und Carl mit Argusaugen. Er warf ihr schon grimmige Blicke zu, wenn sie auch nur in Carls Nähe stand, was sich beim besten Willen nicht immer vermeiden ließ. Warum auch?, fragte Emma sich trotzig. Sie waren eine Gruppe, da musste jeder mit jedem auskommen. Wenn Oskar nur noch das Nötigste mit Carl sprach, war das seine Entscheidung; Emma jedenfalls würde bei diesem Spiel aus falschen Besitzansprüchen nicht mitmachen.
    Das war allerdings leichter gedacht als getan. Oskar pochte mit Macht darauf, dass Emma ihre Rolle »mit Herzblut spielte«. Er legte ihr häufig den Arm um die Schultern, machte anzügliche Bemerkungen, als stünde ihre Hochzeit kurz bevor, und manchmal strich er ihr mit der flachen Hand über Haar und Rücken, was sie stocksteif über sich ergehen ließ.
    Carl sah dann jedes Mal mit angespanntem Kiefer in eine andere Richtung. Über die Verlobung verlor er kein Wort mehr, und Emma ahnte den Grund für sein Schweigen. Er hatte sie ein einziges Mal gewarnt; nun wollte er die Entscheidung ihr selbst überlassen.
    Oft wünschte sie sich, ihm gestehen zu dürfen, dass die ganze Geschichte mit Oskar erfunden war. Doch wie würde er reagieren, wenn er erfuhr, dass sie ihn von Anfang an belogen hatte? Nein, es war zu riskant. Sie hatte sich auf die Lüge eingelassen, nun musste sie damit leben.
    Zu Emmas Widerwillen gegen Oskars Vertraulichkeiten gesellte sich die Wut über ihr eigenes Verhalten.
    Aber was sollte sie tun? Oskar hatte ihr unmissverständlich klargemacht, zu welchen Schritten er bereit sein würde, wenn sie ihn nicht zufriedenstellte. Emma zweifelte nicht daran, dass er seine Drohung, sie zu entlassen, wahrmachen würde. So blieb ihr nichts anderes übrig, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen und Oskars Worte und Berührungen zu ertragen.
    Am Tag des Heiligen Abends beschlossen sie, unter mehreren großen Flaschenbäumen ihr letztes Lager vor der Heimkehr aufzuschlagen. Emma suchte sich einen Platz, der möglichst weit von Oskars entfernt war, und baute ihr Zelt allein auf. Sie weigerte sich inzwischen, sich bei den alltäglichen Arbeiten von den Männern helfen zu lassen, genauso wie sie sich weigerte, vormittags zu reiten. Wenn man es ihr schon nicht erlaubte, allein im Lager zu bleiben oder schießen zu lernen, so wollte sie sich wenigstens in diesen Punkten als den Männern ebenbürtig erweisen. Fester denn je war sie entschlossen, als Pflanzenzeichnerin wahrgenommen zu werden statt als Oskars lästiges Anhängsel.
    Da es bald dunkeln würde, beeilte sich jeder, seinen Aufgaben nachzukommen. Carl entfachte ein Feuer, die drei anderen gingen auf die Jagd, und Emma sammelte die apfelgroßen Früchte, die von einem Baum am Rande des Lagers abgefallen waren. In den letzten Tagen waren sie oft auf diese noch namenlose Baumart gestoßen, und das Obst hatte sich – wenn es reif und von selbst abgefallen war – als wohlschmeckend und

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