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Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate

Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate

Titel: Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Holeman
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ihn wirken – so allein, gänzlich unvorbereitet, so … verzweifelt? Wirkte ich verzweifelt auf ihn?
    Als er den Aufenthaltsraum verließ, fiel mein Blick auf die spanische Familie mit drei kleinen Kindern, die mir gegenübersaß. Das kleinste Kind, ein Mädchen, hielt eine winzige Puppe hoch, wie um sie mir zu zeigen.
    Unvermittelt durchfuhr mich ein unbestimmter Schmerz, und ich schrieb es meinem Durst und meinen Ängsten zu.
    Der Levante wurde noch grimmiger. Aufgrund des rauen Seegangs war es schwer zu sagen, ob wir wieder kehrtgemacht hatten – eine Möglichkeit, die der Amerikaner angedeutet hatte – oder unsere Reise fortsetzten. Die Fähre bahnte sich einen Weg durch die sturmgepeitschten Wellen, und der monotone Rhythmus, in dem unser Schiff die hohen Wogen erklomm und wieder hinabstürzte, verstärkte meine Seekrankheit noch. Anderen erging es nicht besser; einige eilten an Deck, um sich dort, wie ich vermutete, an die Reling geklammert, zu übergeben. Plötzlich beugte sich das kleine spanische Mädchen nach vorn und erbrach sich. Ihre Mutter wischte mit der Hand ihren Mund sauber, um sie dann auf ihren Schoß zu ziehen und ihr übers Haar zu streichen. Der säuerliche Gestank in dem Raum wurde zusehends schlimmer, es war unerträglich heiß und stickig. Ich fuhr mir mit dem Ärmel übers Gesicht, froh, dass ich den ganzen Tag noch nichts gegessen hatte. Wenn ich doch nur, wie die meisten anderen Passagiere, eine Flasche Wasser mitgenommen hätte, schalt ich mich. Alle saßen reglos da, während sich ihre Körper im Rhythmus des Schiffes hoben und senkten, und schwiegen, während zuvor beim Auslaufen aus dem spanischen Hafen noch ein aufgeregtes Stimmengewirr geherrscht hatte. Sogar die kleinen Kinder waren nun still, nur das Mädchen wimmerte leise in den Armen seiner Mutter.
    Wieder dachte ich daran, dass das Schiff kentern könnte. Und wieder wurde mir klar, in welch missliche Lage ich mich gebracht hatte, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, wie gefährlich eine solche Reise war.
    Erneut wurde unser Schiff von einer Welle ergriffen, einer besonders hohen diesmal, und ich wurde auf den Sitz neben mir geschleudert. Dabei stieß ich mit dem Ellbogen an die harte Sitzfläche, und ein heftiger Schmerz fuhr mir durch die Hüfte, sodass ich unwillkürlich aufschrie, wie andere ringsumher auch. Und noch immer sprach niemand ein Wort; alle setzten sich lediglich aufrecht hin und schwiegen. Ich schlug die Hand vor den Mund und schluckte immer wieder die Magensäure hinunter, die mir, indem sie die Bewegungen des Schiffes nachahmte, die Kehle hinauf- und hinabfloss. Ich schloss die Augen und versuchte, tief einzuatmen und nicht auf den Wind zu achten, der um die Fenster des Decks heulte, versuchte, nicht den Geruch einzuatmen, der von den ekelhaften Pfützen auf dem Boden aufstieg.
    Und dann, so langsam, dass ich es kaum bemerkte, ließ das Schwanken des Schiffes nach. Ich setzte mich gerade hin und bemerkte, dass ich durch die Fenster nicht mehr das Steigen und Fallen der Meeresoberfläche sehen konnte. Der Boden unter meinen Füßen fühlte sich wieder fester und vertrauter an, und mein Magen beruhigte sich.
    Als einer der Spanier die Tür öffnete und rief: » Tanger, Ya llegamos!«, atmete ich erleichtert auf, und beifälliges Gemurmel erhob sich. Den Worten des Spaniers meinte ich zu entnehmen, dass er die Stadt erspäht hatte oder dass wir uns ihr näherten. Also waren wir dem Levante vorausgeeilt, hatten den Sturm in der Mitte der Straße von Gibraltar hinter uns gelassen, wo er sich austobte. Dankbar schloss ich die Augen, und als ich sie wieder aufschlug, waren einige der Kinder zu den Fenstern gerannt. Endlich erhob sich ein immer lauter werdendes Stimmen- und Sprachengewirr, während der Raum von einer allgemeinen Euphorie ergriffen wurde. Und dann standen alle auf, streckten die Glieder und verschafften sich Bewegung, sammelten plaudernd Kinder und Gepäckstücke ein. Die Familie, die mir gegenübergesessen hatte, ging hinaus, das kleine Mädchen noch immer auf dem Arm seiner Mutter, die Puppe an sich gepresst. Auch ich erhob mich, spürte jedoch sofort wieder Schwindel und Übelkeit, ob aufgrund des noch immer schwankenden Schiffs, als Folge meines Dursts und der Tatsache, dass ich den ganzen Tag noch nichts gegessen hatte, oder meiner kurz zurückliegenden Erkrankung, konnte ich nicht sagen.
    Ich setzte mich wieder.
    » Miss O’Shea? Wie schade, dass Sie nicht an Deck gekommen sind, um

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