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Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate

Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate

Titel: Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Holeman
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unser Einlaufen zu beobachten. Ein grandioser Anblick in diesem Sonnenlicht … Oh, aber Sie leiden noch immer unter dem Wetter, wie ich sehe«, sagte der Amerikaner stirnrunzelnd, und mir wurde bewusst, dass ich noch immer blass im Gesicht sein musste. » Kann ich Ihnen helfen, jemanden …?«
    Ich schüttelte den Kopf und unterbrach ihn. » Nein, nein.« Auch wenn sein Hilfsangebot verlockend klang, so war mir mein noch immer andauernder Schwächeanfall peinlich. » Ich ruhe mich noch ein wenig aus, dann wird es bestimmt besser. Nochmals vielen Dank, Sie waren äußerst freundlich. Aber nun lassen Sie sich bitte nicht länger aufhalten, gehen Sie ruhig, ich bitte Sie.«
    » Wie Sie wollen«, sagte er. » Aber hüten Sie sich vor den Schwarzhändlern, die überall im Hafen herumhängen. Nehmen Sie ein petit taxi oder, falls es keines gibt, einen Karren. Und bezahlen Sie nur die Hälfte des verlangten Preises. Nur die Hälfte. Sie werden Ihnen zwar die Geschichte von ihren zehn hungrigen Kindern und von ihrer kranken Mutter erzählen, aber bleiben Sie standhaft. Nur die Hälfte, keinesfalls mehr.«
    Ich nickte abermals und hoffte inständig, er möge jetzt gehen, damit ich die Augen zumachen konnte, um mein Schwindelgefühl zu bekämpfen.
    » Dann auf Wiedersehen, Miss O’Shea, ich wünsche Ihnen viel Glück. Das werden Sie brauchen, wenn Sie tatsächlich auf eigene Faust nach Marrakesch reisen wollen.« Ich hörte, wie er sich langsamen, schweren Schrittes entfernte.
    Nach wenigen Momenten, als nur noch gedämpfte Rufe von draußen hereindrangen, stand ich allein in dem Raum. Ich streifte mir die Handschuhe über und begab mich an Deck, ins warme Sonnenlicht. Sobald ich durch die Tür trat, war das Schwindelgefühl verschwunden; die Luft war frisch, barg den Geruch des Meeres und ein anderes, scharfes Aroma, Zitrusduft vermutlich. Es war ein frischer, sauberer Duft. Ich atmete tief ein, und mit jedem Atemzug fühlte ich mich stärker. Währenddessen warf ich einen neugierigen Blick auf Tanger, soweit es von der Fähre aus zu sehen war.
    Der Amerikaner hatte nicht zu viel versprochen, es war eine wahrlich grandiose Aussicht. Ein Amphitheater war zu erahnen, und vom Hafen zogen sich in einem Meer aus Palmen weiße Häuser den Hang hinauf. Minarette, deren Spitzen in der Sonne glänzten, ragten weit in den Himmel. Die Stadt strahlte eine fremdländische Schönheit aus, ganz anders als die Betriebsamkeit in den industriellen Hafenanlagen von New York oder Marseille. Wie angewurzelt stand ich da und betrachtete die Palmen, die sich sanft in der Brise wiegten. Schließlich löste ich den Blick von der Stadt und wandte ihn dem Hafen zu. Und da fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Da waren nur Männer – wo waren die Frauen? Einen kurzen Augenblick lang kam mir der absurde Gedanke, dass es sich bei all den Männern um Mönche handelte … aber wie konnte das sein? War Tanger nicht eine muslimische Stadt? In der nächsten Sekunde gewahrte ich meinen Irrtum: Die Kapuzenmäntel, die die Männer trugen, hatten mich in die Irre geführt. Wie hießen die Gewänder noch mal? Der Name wollte mir nicht mehr einfallen. Bestimmt erfüllten die Kapuzen den Zweck, ihre Träger vor der heißen Sonne zu schützen, oder es war eben ein Brauch. Weite Kapuzen, die sich seitlich über die Gesichter wölbten.
    Und aus einem unerfindlichen Grund flößten mir diese Kapuzengewänder, die ihre Träger gesichtslos machten, eine unheilvolle Vorahnung ein.
    Mit einem Mal wurde mir klar: Ich war vollkommen fremd hier, und niemand war da, um mich zu begrüßen.
    Während ich mich mit der Hand an dem dicken, rauen Seil entlangtastete, schritt ich über die Landungsbrücke.
    Es gab keine Wachen, keine Grenzkontrollen. Ich wusste, dass Tanger ein Freihafen war – die genaue Bezeichnung lautete » Internationale Zone von Tanger« – und dass Ankommende oder Abreisende keinerlei Beschränkungen unterlagen.
    Als ich das Ende der Gangway erreichte, erspähte ich mein Gepäck, das an Deck nass geworden war, sodass die Kreidebeschriftung verschmiert und kaum mehr zu lesen war. Meine zwei schweren Koffer standen verwaist da, denn ich verließ als letzter Passagier das Fährschiff. Als ich auf die Gepäckstücke zuschritt und mir den Kopf zerbrach, ob ich genügend Kraft haben würde, sie zu tragen, kam ein kleiner dunkler Mann auf mich zu. Der schmutzige weiße Turban saß wie ein verschlungenes Nest auf seinem Kopf, und er führte einen struppigen,

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