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Der Duft von Tee

Der Duft von Tee

Titel: Der Duft von Tee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Tunnicliffe
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wartet, dass ich frage. Am liebsten würde ich gar nichts sagen, doch das wäre zu unhöflich.
    »Was gibt es denn zu feiern?«
    Sie strahlt. »Paul hat einen Job in Singapur bekommen. Ein neues Bauprojekt. Es ist ein ziemlich wichtiger Posten.«
    »Das ist ja fantastisch.«
    »In ein paar Monaten geht’s los.«
    »Das freut mich für Sie.« Ich lächle, als ich ihre Geldscheine in die Kasse lege und ihr ein paar Münzen herausgebe.
    »Das wird eine große Veränderung zu hier .« Sie zieht die Brauen hoch. »Singapur ist ganz anders, wissen Sie?«
    »Ich war noch nie da«, gebe ich zu.
    »Sie müssen unbedingt mal hinfahren, Grace! Es ist wunderbar. Kein Müll auf den Straßen. Tolle Restaurants. Niemand, der in die Gegend spuckt.« Sie sieht mich verwundert an. »Es ist so zivilisiert . Es ist so sauber .«
    »Aha«, sage ich kurz angebunden. Ich höre die Türklingel und sehe über Lindas Schulter hinweg, wie Marjory hereinkommt. Sie trägt eine weiße Hose und eine schwarze Bluse. Beides schmiegt sich fantastisch an ihren Körper. Ihr folgt modisch gesehen das genaue Gegenteil – eine Nonne in einer braun-weißen Tracht, ohne Make-up, mit leuchtenden blauen Augen. Das muss Schwester Julietta sein. Beide lächeln mich breit an.
    Linda hat nicht gemerkt, dass sich mein Blick von ihr abgewandt hat. »Sie müssen wirklich mal dort hinfahren, Grace. Es ist wunderbar«, wiederholt sie.
    »Ja, irgendwann«, sage ich zerstreut.
    Linda schließt ihre Tasche und seufzt und beugt sich ein wenig zu mir vor. »Was ich noch sagen wollte … es freut mich, dass Sie diese Person losgeworden sind. Die können einem wirklich Ärger machen.«
    Meine Aufmerksamkeit richtet sich wieder auf sie. »Wie bitte?«
    »Dieses andere Mädchen, die, die jetzt weg ist.«
    »Jocelyn?« Meine Stimme ist angespannt.
    »Ach, hieß sie so? Also, wenn Sie jemals eine helfende Hand brauchen, bin ich mir sicher, dass eine von uns Ihnen für ein paar Stunden helfen kann. Wenn mal Not am Mann ist.«
    »Eine von uns?«, sage ich in sarkastischem Ton.
    Linda bleibt einen Moment der Mund offen stehen. Dann senkt sie die Stimme. »Von uns Westlern , Gracie. Natürlich, wir sind sehr beschäftigt mit unseren Kindern und Ehemännern und wer weiß was, aber irgendjemand kann sich immer ein paar Stunden freimachen, wenn Sie in der Bredouille sind.«
    Ich versuche mir Lindas manikürte Hände im Seifenwasser vorzustellen. Wahrscheinlich spült sie zu Hause nicht selbst, und ich bezweifle, dass sie die Ausdauer hat, stundenlang über den klebrigen Backblechen zu stehen.
    »Jocelyn ist unersetzlich, Linda. Wir vermissen sie ganz schrecklich, aber wir kommen gut alleine zurecht. Wir brauchen keine Hilfe. Gigi und Rilla und ich haben alles gut im Griff.«
    Linda tritt einen Schritt zurück und presst die Lippen aufeinander. Ihre Augen werden ein wenig schmaler, doch sie zwingt sich zu einem Lächeln.
    »Nun denn …«, sagt sie.
    »Linda George!«, ruft Marjory, eisig und zuckersüß zugleich.
    Linda wirbelt herum.
    »Wir haben uns ja seit Ewigkeiten nicht gesehen. Sie sehen großartig aus. Sind das Extensions?«
    Linda starrt Marjory einen Moment lang an – die weiße Hose, den durchtrainierten Tänzerinnenkörper unter dem engen schwarzen Oberteil.
    »Sie wollten gerade gehen?«, fragt Marjory mit einem kühlen Lächeln.
    »Äh, ja …« Linda sieht von Marjory zu der Nonne und wieder zurück. Es ist wie eine Gleichung, die sie nicht lösen kann. Marjory, die Nonne, dann wieder Marjory. Die beiden starren ohne Erklärung oder sich vorzustellen zurück.
    »Sie wollten gerade gehen, ja?«, wiederholt Marjory.
    Linda nickt stumm. Als sie halb draußen ist, dreht sie sich mit erhobenem Kopf noch einmal zu mir um. Als wollte sie zeigen, dass wir die besten Freundinnen sind, hebt sie die Hand und winkt und lächelt mich mit ihren weißen Zähnen an. »Bis bald, Gracie, Schätzchen.«
    Es bereitet mir großes Vergnügen, langsam und laut, sodass jeder es hören kann, zu antworten: »Verpiss dich, Linda.«
    Aus dem Augenwinkel beobachte ich, wie Marjory breit grinst.

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