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Der Duft von Tee

Der Duft von Tee

Titel: Der Duft von Tee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Tunnicliffe
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Weg, um sich von ihrer Freundin zu verabschieden.
    »Hast du alles?«, frage ich wie eine nervöse Mutter.
    Jocelyn nickt und lächelt und tätschelt ihre Tasche. Rilla sieht ihr in die Augen und gibt ihr auf Tagalog Ratschläge. Sie hält sie an beiden Schultern fest, während sie mit ihr spricht. Ich kann mir vorstellen, was sie sagt: Sprich nicht mit Fremden, steig direkt in den Bus, wenn du in Manila ankommst, achte auf deine Tasche, warst du auf der Toilette? Jocelyn lächelt; wir müssen furchtbar besorgt aussehen. Selbst Pete wirkt traurig.
    »Ich werde sie vermissen«, flüstert er mir zu und legt den Arm um meine Taille.
    »Ja, ich auch.«
    Wir haben Fotos von ihren Kindern gesehen und Geschichten über sie gehört. Ein kleiner Junge mit Namen Matthew und ein Mädchen mit Namen Teresa. Heiligennamen, als hätte sie von Anfang an gewusst, dass sie einen zusätzlichen Schutz brauchen. Die Kinder auf den Bildern haben Jocelyns dunkle Augen und ihr kleines Gesicht. Teresa malt gern und liebt Geschichten über Feen. Matthew klettert mit Vorliebe auf Bäume. Jocelyn spricht nicht über den Vater ihrer Kinder, und ich frage nicht nach. Jedenfalls ist er auf keinem der kostbaren Fotos zu sehen, deren Ecken abgenutzt und deren Farben bereits verblasst sind.
    »Du wirst deine Kinder bald wiedersehen«, sagt Marjory, als könnte sie meine Gedanken lesen.
    Jocelyn blickt auf. »Ich freue mich so auf sie.« Ihre Augen leuchten, als sie uns alle ansieht.
    »Du musst gut auf sie achtgeben, Jocelyn. Lass sie nicht aus den Augen«, warnt Rilla.
    »Keine Angst.«
    »Gib ihnen eine Umarmung von uns allen. Drück sie ganz fest«, fügt Pete hinzu.
    »Tja …«, Marjory sieht mich an, und ich versuche, nicht zu weinen. »Dann brechen wir mal auf, was?«
    »Sollen wir mit zum Flughafen kommen?«, fragt Pete.
    Marjory schüttelt den Kopf. »Je weniger Leute, desto besser. Ich springe nur kurz mit rein, damit nichts schiefgeht. Wir wollen schließlich keine Aufmerksamkeit erregen.«
    Wir gehen alle zusammen auf die Straße hinunter. Als Jocelyn auf den Beifahrersitz von Marjorys Auto klettert, fällt ihr das lange Haar über die Schulter. Ich erinnere mich, wie ich diese Haare und den schrecklichen schwarzen Bluterguss zum ersten Mal gesehen habe. Als sie jetzt das Gesicht hebt, ist es klar und strahlend, als würde es von innen heraus leuchten. Sie ist in Sicherheit. Sie ist auf dem Weg nach Hause. Sie legt eine Hand gegen die Fensterscheibe und formt mit den Lippen ein »Danke«. Rilla, Pete und ich stehen winkend nebeneinander.
    Marjory lässt den Motor an und hupt ein paarmal, bevor sie losfährt. Wir schauen dem Auto hinterher, bis wir es nicht mehr sehen können.
    Am nächsten Tag erhält Rilla eine SMS von Jocelyn. Sie ist wieder zu Hause in ihrer kleinen Stadt am Meer bei ihrer Schwester und ihren Kindern. Alle sind gesund. Matthew und Teresa sind viel größer geworden. Sie haben Fisch und Reis zum Mittagessen gegessen. Ihre Schwester hat alle fotografiert und wird uns Abzüge schicken. Ihre SMS endet mit einem Smiley. Wir atmen alle erleichtert auf.
    »Ich könnte die Typen umbringen, die ihr das angetan haben«, sagt Gigi finster.
    »Das könnten wir alle«, stimme ich ihr zu.
    »Mein Gott, die Welt ist voller Arschlöcher«, fügt sie hinzu.
    Rilla sieht mich an, als sie die Küche mit einem Tablett voller schmutziger Tassen betritt, doch diesmal darf Gigi ruhig fluchen. Sie hat ja recht. Die Welt ist voller Arschlöcher.
    »Ist jemand vorne?«
    »Nur Linda und der Buchclub«, antwortet Rilla.
    »Sind sie nicht langsam fertig?«
    »Wahrscheinlich. In zehn Minuten ist Schulschluss.«
    »Ich bringe ihnen die Rechnung.«
    Rilla sieht mich an, und ich finde, dass sie ein wenig erleichtert aussieht. Sie singt zu einem Lied, das aus dem Radio auf der Küchenfensterbank dudelt. In der letzten Zeit steht sie auf Country, und irgendwie klingt ihre Stimme nicht ganz so schlimm, wenn sie die beschwingten Texte von Herzeleid und dem Hund auf der Veranda und dem Pick-up mit dem Platten trällert. Gigi dagegen findet es nach wie vor furchtbar – sie sieht mich mit rollenden Augen an.
    Ich drucke die Quittung aus, als Linda an die Theke kommt. Ihr blondes Haar ist ungewöhnlich lang und reicht ihr bis über die Schultern.
    »Danke, Gracie, die Macarons waren himmlisch heute«, gurrt sie.
    »Es war mir ein Vergnügen. Nur Ihre Rechnung oder alles zusammen?«
    »Zusammen, bitte. Wir haben etwas zu feiern.«
    Sie macht eine Pause und

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