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Der Duft von Tee

Der Duft von Tee

Titel: Der Duft von Tee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Tunnicliffe
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Leute nicht so viel herumgezogen, und jetzt sind Sie in Australien. Mein Sohn ist in Boston, können Sie sich das vorstellen? Heutzutage sind alle über den ganzen Globus verteilt, nicht?«
    Ich schüttelte den Kopf und kratzte allen Mut zusammen.
    »Können Sie mir sagen … wie sie gestorben ist, Fran? Ich verstehe nicht so recht.«
    Fran schwieg einen Moment. Vielleicht war es auch die schlechte Verbindung. Sie seufzte fast wehmütig. Sie erzählte mir, dass Mama vor ungefähr drei Monaten verstorben war. Sie waren über ihre Fortschritte erfreut gewesen; sie hatte eine gute Phase gehabt. War nicht so »wild« gewesen, wie Fran es ausdrückte. Sie hatten sie sogar zum Einkaufen gehen lassen und so weiter. Fran sagte, dass sie sich so gerne in der Bäckerei etwas Süßes gekauft hatte oder im Park spazieren gegangen war.
    »Eines Tages war sie unterwegs und ist nicht rechtzeitig zurückgekommen. Hätte schon seit Stunden wieder da sein sollen. Jedenfalls hat uns John angerufen, einer von den Krankenwagenfahrern. Ein feiner Kerl, dieser John. Er hat gesagt, dass eine von Unseren von einem Auto überfahren wurde.«
    Mir sprang das Herz bis in die Kehle. Eine von Ihren . Meine Mama.
    Fran fuhr fort. Mama hat nicht gelitten. Die Frau, die am Steuer saß, war ziemlich erschüttert. So eine Tragödie. Sie hatte Mama nicht gesehen. Die Dämmerung, das schwindende Licht, das kann sehr trügerisch sein, hatte sie gesagt. Ich konnte es mir vorstellen. Beschwor Bilder von einem langsam grauer werdenden Himmel herauf, von regennassen Straßen, dem Bellen eines Hundes in der Ferne und von einem Auto, das um die Ecke biegt. Der Geruch nach Dämmerung, Tau und grünen Blättern.
    Fran erzählte weiter, doch ich hörte nicht mehr richtig zu. Sie sagte, dass unter Mamas persönlichen Sachen ein Tonband war, ein Brief, ein Buch und ein Pullover, solche Dinge eben; Fotos von einem Baby, einem kleinen Mädchen, einem Teenager in einer Brieftasche. Von Ihnen wahrscheinlich, sagte Fran. Sie fragte, ob ich diese Sachen haben wollte. Das war der Moment, in dem Pete hereinkam. Er warf einen Blick auf mich und nahm mir den Hörer aus der Hand.
    »Pssst, ich bin hier. Ich bin hier, Liebling«, sagte er, und seine Stimme klang sehr weit weg.
    Ich stehe auf und gehe ins Arbeitszimmer. Ich muss unter den Schreibtisch kriechen, um die Schachtel hervorzuholen, in der ein Umschlag auf einem Stapel anderer Umschläge mit meiner Schrift liegt. Dieser Umschlag ist sehr leicht, und ich öffne ihn vorsichtig. Ich habe den Brief so viele Male gelesen, dass das Papier ganz dünn ist und die Kanten fast eingerissen sind. Ich berühre die verschlungenen Buchstaben mit den Fingerspitzen.
    Liebste Gracie,
    ich befürchte, deine Mama steckt wieder einmal in Schwierigkeiten. Kein Wunder, wirst du jetzt denken. Ich scheine ein ganz besonderes Talent dafür zu haben nicht wahr, Liebling? Aber diesmal musst du dir keine Sorgen machen. Ich bin gut aufgehoben. Man sorgt hier für mich, und ich fühle mich schon sehr viel besser. Vielleicht hätte ich schon viel früher hierherkommen sollen, freiwillig, doch was passiert ist, ist passiert. C’est la vie, non?
    Ich habe an dich gedacht, Gracie. Mich gefragt, wie es da drüben wohl ist. Laufen dort wirklich die Kängurus auf der Straße herum? Irgendjemand hat mir das einmal erzählt. Ich dachte, er nimmt mich auf den Arm. Obwohl der Gedanke mich auch amüsiert hat. Ich stelle mir vor, wie du auf dem Weg zum Supermarkt Kängurus und Wombats ausweichst. Und Taschen voller Mangos, Ananas und Bananen nach Hause schleppst, einen großen, weißen Sonnenhut auf dem Kopf. Ganz wie Jackie O! Pass auf, dass du dir da unten keinen Sonnenbrand holst, Liebes. Wir Raven-Frauen haben empfindliche Haut, das weißt du ja. Nimm dir bloß kein Beispiel an den vielen mageren kleinen Dingern, die in der Sonne braten, bis sie krebsrot sind, ja, Gracie?
    Hast du dort drüben ein paar Jungs kennengelernt? Ja, ich weiß, Mütter sollen so etwas nicht fragen. Ich hätte dir eine Schwester zum Reden schenken sollen. Zum unter der Decke tuscheln, zum Geheimnisse und Geschichten teilen. Wir haben das miteinander getan. Erinnerst du dich, Liebes? Bevor du alt genug warst, um dich für Jungs zu interessieren. Du hast mir alles erzählt. Wir haben geredet, bis du mitten im Satz eingeschlafen bist. Das hat mich immer zum Lachen gebracht. Du bist eingeschlafen, mitten in Lizzies Siegesritt oder wie Bill Ringwood seine Trompete mit in die Schule

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