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Der Duft von Tee

Der Duft von Tee

Titel: Der Duft von Tee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Tunnicliffe
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süßer Körper zwischen uns zusammengerollt. Sie hielt Petes Finger fest. Ich setze mich auf und lege die Hand auf die kühlen Laken, doch natürlich ist sie nicht da. Ich sehe ihr Gesicht vor mir. Haarbüschel, süße Haut, die dunklen Augen in der Farbe von Oolong-Tee voller Tränen. Seit Wochen war sie jetzt jeden Tag mit im Lillian’s. Ich halte morgens nach ihr Ausschau, warte sehnsüchtig, dass sie und Gigi eintreffen, um sie in den Arm zu nehmen und zu küssen und ihren süßen Babygeruch einzuatmen. Und jetzt ist sie in meinen Träumen.
    Pete hat mir gesagt, dass er in Melbourne gebraucht wird. Dort soll ein Hotel gebaut werden, während dem Bauvorhaben hier in Macao langsam die Investoren ausgehen. Karrieremäßig eine leichte Entscheidung, doch er weiß, dass sie mir das Herz bricht. Er hat mir mehr Zeit eingeräumt, als er es sich leisten kann, der Job wird für ihn frei gehalten, während er sich um eine feste Zusage herumdrückt. Aber ich weiß, dass sie nicht mehr lange warten werden. So sehr ich meine Arbeit auch liebe, sie bringt uns nicht so viel ein wie Petes. Die Diskussion wird wohl darauf hinauslaufen, dass ich überall ein Café aufmachen kann. Aber kann ich das wirklich? Pete wird meine Unterstützung brauchen, wir sind schließlich verheiratet, und sehr bald muss ich entscheiden, was aus dem Lillian’s wird. Das ist der schwierigste Part. Das und die Gewissheit, dass ich bald diese Menschen nicht mehr jeden Tag um mich haben werde. Marjory. Rilla. Gigi. Faith.
    Als ich mich wieder hinlege, entweicht mir ein Seufzen, das zu einem leisen Schluchzen wird. Pete schläft nichtsahnend weiter. Sein Gesicht ist sanft und wunderschön. Tränen schießen mir in die Augen und laufen meine Wangen hinunter. Ich beiße auf meine Hand, bis sich nur noch vereinzelte Tropfen einen Weg meinen Hals hinunter in den Kragen meines Schlafanzugs bahnen. Ich wünschte, Faith wäre bei uns, die Sehnsucht lässt meine Brust schmerzen.
    Ich stelle mir Mama vor, wie sie, die Decke bis zum Kinn hochgezogen, im Bett gelegen und sich gefragt hat, wo ich war, ob es mir gut geht. Ob sie gewusst hat, dass sich jemand um mich kümmert? Konnte sie darauf vertrauen, dass ich für mich sorgen, dass ich auf eigenen Füßen stehen kann? Ich war immer der Meinung, dass sie zu egoistisch und hilfsbedürftig und zu sehr mit sich selbst beschäftigt war, um sich überhaupt Gedanken um mich zu machen. Doch damit hatte ich unrecht. Sie hat sich um mich gesorgt. Das weiß ich ganz sicher. Mama hat sich so um mich gesorgt, wie ich mich um Faith sorge, ihr süßes Gesicht taucht immer wieder in meinen Gedanken auf.
    Ich stelle mir Mama in meinem leeren Zimmer vor, die Hand auf meine Bettlaken gedrückt, die Wände noch voller Poster, die alten Konzertkarten noch in der Eisdose auf der Kommode. Ob sie sich hingesetzt und das Kissen an sich gedrückt hat? Ob sie geweint, gewollt hat, dass ich nach Hause komme? Zurück nach England? Ich hätte nie gedacht, dass ich zu spät sein könnte. Das war so nicht geplant. Natürlich hatte ich damit gerechnet, dass wir uns wiedersehen, wenn ich bereit dazu wäre, und dass sie sich dann für die Dinge, die sie gesagt hat, entschuldigen würde. Ich war nur so lange nicht bereit. Und dann.
    Liebste Mama,
    es heißt, dass die Wahrheit dich befreit. Glaubst du das? Vielleicht ist es an der Zeit, es herauszufinden.
    Ich weiß, dass dich das nicht zurückbringt.
    Deine dich liebende Tochter
    Grace
    Also soll es erzählt werden – was mit Mama geschehen ist.
    Pete und ich kamen von unserer Zwei-Personen-Hochzeit auf Bali zurück. Wir waren braun gebrannt und glücklich, küssten uns noch immer andauernd und überall. Meine Haarspitzen hatten Spliss vom Salz und der Sonne, waren so rot und trocken wie Herbstlaub. Ich war so überglücklich, verheiratet zu sein, dass ich dauernd mit dem Ring an meinem Finger gespielt habe. Jetzt kann ich eine neue Familie gründen, dachte ich. London war Ozeane, Welten, Universen von mir entfernt, und das gefiel mir. Meine Vergangenheit war zu kompliziert, um sich damit auseinanderzusetzen, Mama eine Last, die ich nicht tragen konnte, und die Zukunft erschien mir so süß und voller Liebe. Ich machte gerade Frühstück, und Pete sah im Wohnzimmer fern.»Ich liebe dich«, rief er in den Werbepausen. Dann klingelte das Telefon. Ich hatte es nicht eilig. Als ich dranging, hörte ich erst nichts, dann ein Summen und schließlich eine Frauenstimme.
    »Grace Raven?«
    Ich dachte an

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