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Der Duft von Tee

Der Duft von Tee

Titel: Der Duft von Tee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Tunnicliffe
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dem Körper verschränkten Armen vor mir steht. Dampf steigt aus dem Fußbad auf.
    »Vielleicht hast du recht«, sage ich widerstrebend.
    Léon hilft mir mit seinen Kontakten in der Gastronomiebranche, ein paar Bewerbungsgespräche zu organisieren; Cousinen und Freunde von Leuten, die für ihn im Aurora arbeiten. Ich bin ihm dafür sehr dankbar. Ich hätte nicht die Zeit, eine Annonce aufzugeben. Und um ganz ehrlich zu sein, macht es mich nervös, das Lil’s mit jemandem zu teilen. Irgendwie macht mich das verletzlich. Als würde jemand anderes deine Lieblingsschuhe tragen.
    Das Gesetz hier schreibt vor, dass nur Bürger von Macao in den Kasinos als Croupiers eingestellt werden dürfen. Und an denen herrscht immer ein immenser Bedarf. Die Gehälter sind so gut, dass kaum jemand mehr übrig bleibt, um in den Cafés, Bars und Restaurants zu arbeiten. Die Leute müssten schon den brennenden Wunsch haben, ausgerechnet in der Gastronomie tätig zu sein – und selbst im Idealfall sind das nicht viele. Léon schlägt vor, dass ich ein paar Philippiner einlade, mit denen könnte ich Englisch sprechen. Sie scheinen sich alle untereinander zu kennen, erzählt er mir; es ist ein weites Netzwerk. Léon versichert mir, dass es ein Kinderspiel sein wird, jemanden zu finden, doch ich habe da meine Zweifel. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendjemand ein ebensolches Engagement für das Lillian’s aufbringt wie ich; jemand, der mit denMacarons umgeht, als wären sie Edelsteine.
    »Es hätte nicht schlechter laufen können«, jammere ich, den Hörer ans Ohr gepresst.
    »Was ist passiert?«
    »Also, die Erste …«
    »Cristina?«
    »Ja, so hieß sie. Sie war schrecklich. Sie ist eine halbe Stunde zu spät gekommen, brauchte den Job offensichtlich verzweifelt und hat sich durch das ganze Vorstellungsgespräch geschleimt. Alles war ›wundervoll, Ma’am‹ und ›Für Sie kein Problem, Ma’am‹.« Ich will nicht undankbar klingen, aber bei dem Gespräch habe ich mich äußerst unwohl gefühlt.
    Léon versucht, ein Lachen zu unterdrücken. »Du hast sie nicht gemocht, weil sie den Job verzweifelt gebraucht hat? Grace, sie alle brauchen verzweifelt einen Job. Mit dem Geld, das sie hier verdienen, unterstützen sie ihre Familien zu Hause. Das kannst du ihnen doch nicht zum Vorwurf machen.«
    Ich verdrehe die Augen und nicke widerwillig, als könnte er mich durch das Telefon sehen. »Vielleicht wollte sie den Job unbedingt haben, vielleicht hatte sie auch nur ein schlechtes Gewissen, weil sie zu spät gekommen ist. Egal, irgendwie hatte ich … kein gutes Gefühl dabei.«
    »Okay, okay. Und was war mit der Zweiten?«
    »Noch schlimmer. Sie hat nicht ein Wort Englisch gesprochen«, sage ich. »Ich habe ihr eine ganze Reihe von Fragen gestellt. Sie hat wirklich interessiert gewirkt. Ich dachte, dass sie versteht, was ich sage. Ihre Augen haben gestrahlt, und sie hat genickt …«
    »Klingt gut.«
    »Bis ich aufgehört habe, Fragen zu stellen, auf die sie mit Ja oder Nein antworten konnte.«
    »Bitte?«
    »Und sie hat weiter mit Ja oder Nein geantwortet.«
    »Oh, ich verstehe. Nun …«, Léon lacht erneut.
    »Ich fürchte, das ist Zeitverschwendung. Ein Gespräch steht noch aus, aber ich denke, ich sollte es absagen. Danke für alles …«
    »Grace.« Léons Stimme ist ruhig und leise, fast wie ein Schnurren. Ich halte inne und merke, wie ich mich dem Klang förmlich hingebe.
    Bevor er weiterreden kann, unterbreche ich ihn. »Okay, sag nichts. Ich bin unmöglich. Ich werde mich mit diesem Mädchen unterhalten.« Ich seufze resigniert.
    »Na, also. Rilla, nicht? Meine Leute hier legen die Hand für sie ins Feuer.«
    »Okay, okay«, murmle ich. Léon und sein Akzent könnten mich zu fast allem überreden.
    »Gut.« Ich weiß, dass er lächelt. »Viel Spaß …«
    Fünf Minuten, bevor Rilla zu ihrem Vorstellungsgespräch eintreffen soll, sitze ich an einem der Tische und halte durch das Fenster nach ihr Ausschau. Ich habe das Kinn in die Hände gestützt und merke, dass ich ein missmutiges Gesicht mache. Ich schließe das Lillian’s nur ungern für einen halben Tag, nur um Vorstellungsgespräche zu führen. Alle Tassen und Unterteller sind ordentlich gestapelt und unbenutzt, die Macarons ruhen in der Kühlanlage – das ganze Vorhaben kommt mir sinnlos vor, und mir fehlt meine Arbeit; meine wirkliche Arbeit. Der japanische grüne Tee, den ich gemacht habe, ist in meiner Tasse kalt geworden, als ich einen jungen Mann die Straße

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