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Der Duft von Tee

Der Duft von Tee

Titel: Der Duft von Tee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Tunnicliffe
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Türglocke klingeln. Als ich herauskomme, ist sie verschwunden, der Tee ist ausgetrunken und das Macaron gegessen. Sie hat etwas Kleingeld auf den Tisch gelegt, nicht genug, um die Rechnung zu begleichen, aber vielleicht so viel, wie sie in einem lokalen Café zahlen würde. Es ist mir egal.
    Yok Lan ist an diesem Tag meine einzige Kundin, doch als ich am Abend sauber mache, summe ich »Amazing Grace«. Mir ist, als wäre das Lillian’s heute gesegnet worden.
    Und dann kommen im Lauf der Woche immer mehr Kunden. Zuerst ein Rinnsal, dann ein Sprühregen und schließlich ein wahrer Strom.

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    Weiße Schokolade mit einem Hauch von Zitronenschale und Zimt
    Ich habe keine Ahnung, wie es so schnell April werden konnte. Die Zeit mag verfliegen, wenn man Spaß hat, doch wenn man ein Café in einem kleinen Teil Chinas betreibt, rast sie so schnell wie ein Düsenjäger. Das Lillian’s läuft noch besser, als ich gehofft hatte, doch ich bin erschöpft, weil ich alles alleine machen muss. Jeden Abend krieche ich gegen acht Uhr ins Bett und springe um halb sechs am nächsten Morgen wieder heraus, den Kopf voller Macaron-Rezepte und Listen, Listen, Listen. Pete und ich sind wie Schiffe, die in der Nacht aneinander vorübergleiten. Ich sehe ihn nur morgens im Halbdunkel, wenn ich auf Zehenspitzen um seinen schlafenden Körper schleiche. Einen weit offenen, schnarchenden Mund, einen Fuß, der aus der Decke ragt. Seinen Nacken, die Krümmung seiner Zehen.
    Ich bewältige die Arbeit gerade eben. Doch so kann es nicht weitergehen. Wie in Zeitlupe beobachte ich, wie mir alles entgleitet.
    Vor der Theke steht eine Schlange, ein großer Mann mit einer glänzenden Glatze klopft mit dem Fuß auf die Fliesen, die Arme vor der Brust verschränkt. Seine Anzugjacke spannt um den Bauch, die Krawatte sitzt um einen fleischigen Nacken. Vor ihm bestellt eine meiner Stamm-Mütter einen großen schwarzen Kaffee und einen »Fluffy«, aufgeschäumte Milch in einem kleinen Glas für ihren Sohn, der an ihrer Hand zieht. Seine Knie sind mit Gras verschmiert und die Shorts seiner Schuluniform voller roter Flecken, vermutlich Brotaufstrich. Hinter dem stämmigen Mann steht Yok Lan, die mir tröstend zuwinkt.
    Ich stelle die beiden Getränke auf ein Tablett und schiebe es vorsichtig meiner Kundin hin. Sie ist von ihrem Jungen abgelenkt, der heftig an ihrem Arm zerrt.
    »Oh, ich wollte das eigentlich mitnehmen«, sagt sie entschuldigend.
    Ich gieße den großen Schwarzen in einen Pappbecher und mache einen neuen Fluffy. Obwohl ich mich inzwischen an die größere Zahl von Kunden gewöhnt habe, macht mich die Schlange vor der Theke noch immer nervös. Der Milchaufschäumer summt durch den Dampf, als die Mutter zur Seite tritt und dem Mann hinter ihr Platz macht. Er legt seine fleischigen, weißen Handflächen auf die Theke und sieht mich böse an. Er bestellt einen Milchkaffee und ein Roastbeef-Sandwich, während ich die geschäumte Milch für den Jungen in einen Pappbecher gieße und schnell den Milchkaffee mache. Ich reiche beides über die Theke. Dann klingelt das Handy des Mannes, die Star Wars -Titelmelodie schrillt durch die Luft. Die Mutter zuckt zusammen, der Junge schreit auf, als sie ihm auf den Fuß tritt. Dann weicht er zurück und stößt gegen den Mann; der Mann verschüttet den Milchkaffee über sein Hemd. Der Fleck durchnässt den Stoff bis auf die Haut, dunkle Haare kleben an dem nassen, blauen Gewebe. Der Junge fängt an zu weinen, der Mann schreit. Yok Lan humpelt einen Schritt zurück und damit glücklicherweise aus dem Weg.
    »Oh.« Das ist alles, was mir dazu einfällt.
    Dann stürze ich hinter der Theke hervor und sehe zuerst nach dem Jungen, dem die Tränen nur so über das weinende Gesicht strömen. Seine Mutter fängt an, den Mann zu beschimpfen, der mich anschreit, weil ich mich nicht zuerst um ihn gekümmert habe. Er knallt seine Tasse auf die Theke, wodurch der Griff abbricht und der letzte Rest Kaffee auf meinen Rücken spritzt. Jetzt flucht er, und der Duft von heißem Kaffee steigt mir in die Nase. Die Frau nimmt ihren Sohn in die Arme und marschiert aus dem Laden. Als ich mich wieder aufrichte, die Scherben der Tasse in der Hand, ist auch der Mann verschwunden. Milchkaffee auf dem Boden, ein Fluffy und ein großer schwarzer Kaffee auf der Theke, und nichts davon ist bezahlt.
    Yok Lan schnalzt mit der Zunge und tätschelt mir den Arm.
    Eine große, blonde Frau kommt hereingestürzt.

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