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Der Duft von Tee

Der Duft von Tee

Titel: Der Duft von Tee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannah Tunnicliffe
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Geistesabwesend zieht sie den Ärmel über den Daumen ihrer linken Hand.
    »Ja, es ist eine sichere Gegend. Ich fühle mich hier sehr wohl.«
    Ich werfe einen Blick auf meinen Notizblock und meine Fragenliste. Da stehen acht Fragen, sorgfältig aufgeführt unter der Überschrift »Bewerbungsgespräch«, mit einem Leerraum für Kommentare darunter. Als ich mich wieder Rilla zuwende, starrt sie mit einem liebenswürdigen Lächeln auf den Boden der Tasse, um die sie beide Hände gelegt hat. Es ist nicht kalt heute, doch der Tee scheint sie trotzdem zu wärmen. Tee hat nun einmal diese Wirkung; ich sehe gern zu, wie er die Menschen beruhigt. Sie ist so klein, dass die Tasse fast zu groß für sie scheint, ihre weichen, vollen Wangen und ihre runden, dunklen Augen lugen fast kindlich dahinter hervor. Ich atme tief durch und stelle ihr nur eine Frage von meiner Liste. Die achte. Ich vertraue meinem Instinkt, richtig, Mama?
    »Wann können Sie anfangen, Rilla?«
    Ihre Augen schnellen freudig zu mir hoch, und sie strahlt über das ganze Gesicht. »Sobald Sie möchten, Mam’am. Morgen?«
    »Morgen«, wiederhole ich entschlossen. Ich lehne mich über den Tisch, um ihr die Hand zu schütteln. Ihre kleine Hand liegt in meiner großen, als würden wir ein Geschäft besiegeln.
    Nachdem Rilla drei Tage im Lillian’s gearbeitet hat, kann ich nachts wieder schlafen, statt mit weit geöffneten, trockenen Augen wach zu liegen und über das nachzudenken, was morgen erledigt werden muss. Ich habe ihr gesagt, dass sie ein Geschenk des Himmels ist, aber ich bin mir nicht sicher, ob sie mich verstanden hat. Sie lächelt, wie sie das immer tut, und spült weiter, summt und putzt. Sie arbeitet so schnell, dass ich nicht einmal dazu komme, ihr Anweisungen zu erteilen. Bevor ich sie bitten kann, den Lagerraum auszufegen, ist er bereits blitzsauber; bevor ich sie bitten kann, den Milchaufschäumer abzuwischen, hat sie die Maschine schon auseinandergenommen und geputzt. Sie sagt nicht viel, und wenn sie etwas sagt, ist es normalerweise »Kein Problem, Ma’am«, ihre Standardantwort. Ich versuche, sie dazu zu bringen, mich Grace zu nennen, wie alle anderen das tun, doch das führt nur dazu, dass sie mich Ma’am Grace oder Miss Grace nennt. Das klingt noch viel seltsamer. Manchmal ist mir gar nicht bewusst, dass sie mit mir spricht. Vorhin habe ich in die Ferne gestarrt, die Hände tief in lauwarmes Seifenwasser getaucht, und mich gefragt, ob ich das kleine Fenster über dem Spülbecken putzen soll. Der Blick nach draußen wird von dicken Fettspritzern und klebrigem Staub verdeckt.
    »Ma’am? Miss Grace?«
    »Oh, Entschuldigung. Ich war in Gedanken.« Ich will mir mit der Rückseite meines Arms das Haar aus dem Gesicht streichen, doch stattdessen verteile ich nur Spülwasser auf meiner Stirn.
    Rilla lacht und tupft mir mit einem sauberen Küchentuch die Stirn ab. Sie schiebt die vorwitzige Haarsträhne zurück, klemmt sie hinter mein Ohr. Ihre Berührung ist zwanglos, fast schwesterlich.
    »Ein Mann möchte Sie sprechen. Draußen vor dem Café.«
    »Pete?«
    Ich ziehe meine Handschuhe aus und trockne die feuchten Hände an meiner Schürze ab. Er ist ein paarmal vorbeigekommen, aber nie lange geblieben, immer völlig in die Arbeit vertieft und mit dem Handy am Ohr. Es ist mir fast lieber so. Ich will das Lillian’s für mich haben, es ist mein Café, aber das sage ich ihm natürlich nicht.
    »Nein. Ein anderer Mann. Äh …«, Rilla neigt den Kopf zur Seite und sucht nach den richtigen Worten. »Groß mit einem schwarzen Hemd. Äh, und grauen Haaren?«
    »Okay.«
    Endlich ist jemand gekommen, um die tropfende Klimaanlage in der Toilette zu reparieren.
    Der Mann steht mit dem Rücken zu mir, als ich aus der Küche komme. Er hat den Ellbogen auf die Theke gestützt.
    »Hallo, wie kann ich Ihnen helfen?«
    Als er sich umdreht, sehe ich, dass es Léon ist, sein Gesicht erstrahlt in einem Lächeln. Er hält eine Flasche in der Hand, deren Hals eine dicke, gelbe Schleife ziert.
    »Grace!«, ruft er. Die Art, wie er meinen Namen ausspricht, bringt mich ein wenig aus der Fassung, das rollende r , die sanfte Stimme. Er nimmt meine Hand, während ich mir verzweifelt meiner nachlässigen Erscheinung bewusst werde. Nasse Haare, das Gesicht gerötet, die Schürze um die Taille gewickelt. »Es tut mir leid, dass ich nicht früher gekommen bin. Im Aurora war so viel los. Man redet über dein Café, weißt du. Und jetzt sehe ich es mit eigenen Augen. Ja, es

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