Der Duft von Tee
ist …«, er schüttelt den Kopf, »wundervoll.«
Ich spüre, wie ich rot werde. Ich bringe kein Wort heraus.
»Nun, ja … danke. Das habe ich alles dir zu verdanken, Léon. Deinem Unterricht, denMacarons.« Ich nicke zu der Vitrine auf der Theke hin. »Und jetzt auch noch Rilla.«
»Oh, nein, nein. Das hast du deiner harten Arbeit zu verdanken. Das …«, er macht eine Geste, die den Raum umschließt, »das ist kein leichtes Unterfangen. Das kannst du dir schon als Verdienst anrechnen. Es sieht superb aus.«
»Nun ja, perfekt ist es nicht. Aber danke. Es wird langsam.« Ich bin stolz auf das Lillian’s, auch wenn ich es nicht laut ausspreche. »Wenn du schon mal hier bist, musst du die Macarons probieren. Wie heißt es so schön: Probieren geht über Studieren«.
»Da hast du recht. Welches empfiehlst du?« Er zwinkert mir wie ein Komplize mit seinen blauen Augen zu. Ein Bäckerkollege.
»Ich kann sie natürlich alle empfehlen«, antworte ich grinsend. »Setz dich, und ich bringe dir von jedem eins.«
»Perfekt. Trinken wir einen Kaffee?«
Ich sehe zu Rilla hinüber. Sie trocknet gerade eine Tasse ab und nickt mir zu.
»Sicher.«
Er stellt den Champagner mit der auffälligen Schleife ab und setzt sich an einen der Tische. Ich sehe, wie die anderen Gäste in seine Richtung gucken, die Frauen werfen ihm über ihre Kaffeetassen hinweg Blicke zu. Er besitzt dieselbe Ausstrahlung, die mich damals auch zu Pete hingezogen hat. Ich ziehe meine Schürze aus und versuche, meine Haare ein wenig zu glätten, während ich vor der Vitrine hocke. Ich stelle eine Auswahl an Macarons zusammen und frage mich, ob das seltsame Gefühl in meinem Bauch Hunger ist. Oder Begierde, vielleicht auch Besorgnis. Vermutlich alles zusammen.
Marjory ist zu einer Art morgendlichem Stammgast geworden. Rilla scheint sie zu mögen. Sie sagt Sachen wie »Verdammt prächtiger Tag heute«, was Rilla zum Lachen bringt. Marjory hat ein breites, einnehmendes Grinsen, gepaart mit einer gewissen Bodenständigkeit – das genaue Gegenteil von dem, was man aus ihrer herausgeputzten Erscheinung schließen würde. Oft erwische ich mich dabei, wie ich ihre gepflegte Schönheit und ihr sprudelndes Selbstvertrauen bewundere und mir wünsche, ich wäre etwas mutiger, eleganter. Wenn ich in der Küche bin und eine Ladung Macaronschalen in den Ofen schiebe, höre ich ihre Stimme vorne im Café, wie sie einen Witz erzählt oder liebevoll über ihren Mann Don lästert. Ich komme dann immer an die Theke, um ihr persönlich ihren Kaffee zu machen, genau so, wie sie ihn gerne trinkt. Einen Cappuccino mit fettarmer Milch, »ohne Firlefanz« – das heißt ohne Zimt und ohne Schokolade, nur mit aufgeschäumter Milch in einem Blattmuster. Sie gestattet sich ein Macaron zum Kaffee, jeden Tag, und sagt unverblümt ihre Meinung zu meinen Experimenten mit neuen Geschmacksrichtungen.
Dabei gibt es entweder ein »Nicht gut, Grace« oder »Wow, wundervoll«. In der Regel stimme ich ihr zu; meine Ideen sind entweder genial oder völlig unbrauchbar. Doch mit zunehmender Praxis werde ich besser. Ich habe meine Abende online verbracht und die Karten von Pariser Patisserien studiert – Mulot, Hermé, Ladurée, Lenôtre –, während Pete vor dem Fernseher gedöst hat.
Heute sitzt Marjory auf ihrem üblichen Platz, als ich die Tische abwische. Ein drei Jahre alter Junge hat den Boden, die Tische und die Fensterbänke mit Zucker bestreut. Es knirscht unter den Füßen. Glücklicherweise sind Mutter und Sohn gerade gegangen, sein Geheul und seine Freudenschreie verklingen in der Ferne. Ich habe zugesehen, wie sie ihn die Hälfte ihres Milchkaffees hat schlürfen lassen. Durch den Koffeinschub war er ziemlich aufgedreht. Während ich den Tisch neben Marjory putze, komme ich mit einer Entschuldigung.
»Es tut mir so leid. Ich war mir nicht sicher, ob ich sie bitten sollte zu gehen oder nicht. Doch im Nachhinein …« Ich verdrehe die Augen.
Marjory nickt nur, ungewöhnlich still. Sie sitzt seltsam starr auf ihrem Stuhl. Ich komme näher, um ein paar Zuckerkörner von ihrer Tischplatte zu wischen, und bemerke, dass Tränen nasse Spuren durch ihr Make-up ziehen und ihr das Kinn hinuntertropfen. Sie hat noch immer ihre Sonnenbrille auf, ihre Gesichtszüge sind erstarrt. Dann fährt sie sich mit einer Serviette über die Wange und verwischt Rouge und Puder. Sie zerknüllt das schmutzige Papier in der Hand.
»Möchtest du …«, beginne ich und halte inne. Ich sehe mich
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