Der Duft von Tee
Tätigkeiten erschöpft und stehe schlapp und nutzlos hinter der Theke. Die Sonne scheint durch die Fenster und spiegelt sich glänzend in den sauberen Bodenfliesen.
Ich nehme ein Sandwich aus der Vitrine auf der Theke und setze mich an einen nahen Tisch, sodass ich sofort aufspringen kann, wenn Kundschaft kommt. Das Brot, ein Baguette, ist frisch und etwas zäh von der Kälte. Die Füllung besteht aus Cranberries, Brie und Pinienkernen. Die salzigen, öligen Pinienkerne mag ich am liebsten. Während ich das Fenster vorne genau im Blick habe, beobachte ich eine alte Dame, die sich der Scheibe nähert. Es ist dieselbe Frau, der ich vor ein paar Tagen zugewinkt habe. Jetzt trägt sie eine praktische dicke, graue Baumwollhose und eine Matrosenbluse mit kurzen Ärmeln. Sie blinzelt mich mit ihren dunklen Augen an. Kleine Blumen blühen auf ihrer Bluse, deren Kragen nach Mandarin-Art sorgfältig aufgestellt ist. Ich bestaune die Schnurverschlüsse, gedrehte Baumwolle in einem dunklen Blau, zu feinen Achten aufgenäht.
Sie schlurft näher, gestützt auf einen Stock. Beim Gehen betont er ihre langsamen Schritte. Sie beugt sich vor, bis ihre Nase fast die Scheibe berührt und ich ihr runzliges Gesicht sehen kann. Es wird von kurzem, grauem, zu einem Bob geschnittenem Haar umrahmt, das von einem Stirnband zurückgehalten wird und ihr ein mädchenhaftes Aussehen verleiht. Sie entdeckt mich, den Mund voller Baguette, und lächelt mich schüchtern an. Ich springe auf und wische mir die Hände an der Schürze ab. Die Türklingel gibt ein engelsgleiches Gebimmel von sich, dann wackelt sie unsicher zu der Vitrine auf der Theke, beugt sich über die Macarons, gibt mehrere Ohhs von sich und nickt. Ich muss lachen.
»Macarons«, erkläre ich lächelnd.
Sie grinst breit, antwortet aber nicht. Sie zeigt auf die Muffins, dann auf die Kuchen und die Brötchen. Ich frage mich schon, ob sie wohl stumm ist, als sie etwas auf Kantonesisch sagt. Wer weiß, ob sie mit mir oder mit sich selber spricht. Sie lehnt sich gegen die Ladentheke und hält sich eine englische Karte vor das Gesicht. Ich bin noch nicht dazugekommen, sie übersetzen zu lassen.
»Sorry …«, murmele ich. Sie hält sie weiter fest, als könnte sie sie durch die bloße Berührung verstehen. Dann zuckt sie mit den Schultern und bestellt einfach.
» Cha ?« Tee. Ein Wort, das ich kenne.
» Cha . Natürlich. Cha .« Ich nicke wie eine Idiotin, deute auf die Tische, und sie trottet zu einem Platz ganz vorn. Sie macht es sich auf dem Stuhl gemütlich, lehnt ihren Stock an die Tischplatte und faltet die Hände ordentlich im Schoß.
Ich starre den Ständer mit Kräutertees und koffeinhaltigen Tees an, dann sie. Sie lächelt wieder, das sanfte Violett ihrer alternden Lippen breitet sich breit auf ihrem braunen Gesicht aus. Zwischen den silbernen Haarsträhnen sind dunkle Fäden eines jugendlichen Schwarz zu erkennen. Sie dreht sich wieder zum Fenster um, schließt die Augen und gönnt ihren Lidern ein Sonnenbad. Ich öffne eine tiefblaue Schachtel, auf deren Ecken weiße Wolken gedruckt sind. »Ruhe« – eine beruhigende Mischung aus Kamille, Lavendel und Minze.
Als ich ihr das Tablett bringe – eine Teekanne und eine Tasse, auf deren Untertasse ein Macaron liegt –, zeigt sie auf ihre dünne Brust. »Yok Lan.«
»Yok Lan«, wiederhole ich.
Sie nickt glücklich. Ich werfe einen Blick auf das Tablett und frage mich, ob sie nach etwas gefragt hat. Nach Zucker vielleicht. Ich hole eine Schale mit weißen Zuckerwürfeln und stelle sie vor sie hin.
Sie grinst und deutet wieder auf sich, den Zeigefinger auf das Schlüsselbein gedrückt. »Yok Lan.«
»Yok Lan«, sage ich erneut, und sie nickt. Dann zeigt sie auf mich und zieht die grauen Brauen hoch, die in der Mitte buschig sind und zum Rand hin immer dünner werden. »Oh, Sie sind Yok Lan.« Ich zeige auf sie. Ja, sie nickt. »Ich bin Grace.«
Vor Verwirrung fallen ihre weichen Wangen in sich zusammen und blasen sich wieder auf.
»Grace«, wiederhole ich mit dem Finger auf der Brust.
»Grr-ace-ah.«
»Das bin ich, Grace.«
»Grrrr-ah. Graca!«, wiederholt sie enthusiastisch, die portugiesische Version meines Namens kommt ihr leicht über die Lippen. »Graça, Grr-ace. Hai-a .«
Sie tätschelt meine Hand, und ich überlasse sie ihrem Tee. Sie wendet sich wieder der Sonne zu. Ich schleiche mich hinter die Theke, um mein Sandwich fertig zu essen und beobachte sie dabei. Später, als ich in der Küche bin, höre ich die
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