Der Duke, der mich verführte
wohl ein Gewissen. Und wenn Sie sich in Ihrem Zustand aus diesem Zimmer, geschweige denn aus diesem Haus wagen, ehe ich mit dem Arzt zurück bin, werden Sie das sehr bedauern. Verstanden?“
Sie schluchzte laut auf und es flossen neue Tränen. „Warum nur ist Carlton so grausam zu mir? Ich begreife es einfach nicht.“
Gott bewahre! Das war ja der reinste Albtraum. „Ich …“, begann er seufzend. „Matilda, hören Sie zu: Er war nicht immer so. Früher war er anders. Aber ich habe mich sehr unredlich ihm gegenüber verhalten, indem ich ihm stehlen wollte, was ihm am wichtigsten war – Sie, Matilda.“ Er räusperte sich. „Es ist schon spät. Ich sollte jetzt den Arzt holen. Versprechen Sie mir, sich nicht von der Stelle zu rühren. Versprechen Sie mir das.“
Sie nickte und flüsterte: „Ich verspreche es.“
„Braves Mädchen. Ich bin bald zurück.“ Er setzte sich wieder die Kapuze auf, drehte sich um und ging davon.
Kurz nach Mitternacht
Nachdem Matilda untersucht worden war und er veranlasst hatte, dass sie sicher zu ihrer Schwester gebracht würde, beschloss Radcliff, sich seinen Bruder vorzuknöpfen.
In Carltons prunkvollem Domizil ging es hoch her. Es überraschte Radcliff wenig, unter den Gästen überwiegend jene zu sehen, die vom ton gemieden wurden.
Er schob seine Kapuze nach hinten und drängte sich an den eitlen Stutzern und herausgeputzten Frauenzimmern vorbei. Die Luft war geschwängert von Parfüms und Duftölen, die längst allen Wohlgeruch verloren hatten. Es stank nach Schweiß, erhitzten Körpern und Wein.
Im Ballsaal, dezent in Gold und Elfenbein gehalten, hielt Radcliff inne und sah sich suchend nach Carlton um.
Nur wenige Schritte entfernt stand eine nicht mehr ganz junge, doch noch immer attraktive Frau in einem alabasterfarbenen Seidenkleid, die ihn über den Rand ihres Straußenfederfächers mit unverhohlenem Interesse musterte. Wie ein Raubtier, das Witterung aufgenommen hat, ließ sie ihren Blick über ihn schweifen, ehe sie den seinen ohne jede Scham erwiderte. Sie ließ den Fächer sinken und lächelte verführerisch.
Radcliff rang sich ein höfliches Lächeln ab, eher belustigt, dass sie ihn überhaupt ihrer würdig befand. Vielleicht ließ seine Narbe ihn ja auf manche Frauen interessanter wirken.
Sinnlich strich sie sich mit den Straußenfedern über ihr Dekolleté, ließ ihre rosige Zungenspitze kurz hervorschnellen und fuhr sich damit über die Lippen.
Da verging Radcliff das Lächeln, und ihm wurde ganz anders zumute. Rasch wich er einige Schritte zurück, wollte sich in Sicherheit bringen, konnte den Blick jedoch nicht von ihr wenden. Ihre kleine Koketterie wirkte sich gar nicht förderlich auf seine guten Vorsätze aus.
Lächelnd folgte sie ihm, liebkoste mit dem Fächer ihre Brüste und lud ihn mit einem vielversprechenden Funkeln in ihren dunklen Augen zum Spiel.
Radcliff rang schwer nach Atem und trat weiter den Rückzug an. Es war offensichtlich, dass sie mehr als willens war, sich von ihm in einen abgeschiedenen Winkel locken und ihre Röcke lüften zu lassen. Diesen Blick kannte er. Er kannte ihn nur zu gut.
Mit einem tiefen Seufzer wandte er sich um und drängte sich vor zu den Tanzenden.
Der Schweiß brach ihm aus allen Poren, als er sich einen Weg durch die Menge bahnte, immer wieder unruhige Blicke über die Schulter werfend und sich vergewissernd, dass sie ihm nicht hinterherkam. Denn er wusste, dass er machtlos wäre, wenn seine Obsession ihn erst mal wieder im Griff hätte. Doch welch ein Glück – die schöne Fremde schien aufgegeben zu haben.
Erleichtert atmete er auf und blickte sich abermals nach Carlton um. Schließlich war er nicht hergekommen, um nach Frauen Ausschau zu halten – geschweige denn, sich von ihnen nachstellen zu lassen.
Er ließ seinen Blick über die Tanzfläche schweifen. Carltons hohe, athletische Gestalt bewegte sich elegant über das Parkett, entschwand seinem Blick, um im nächsten Moment etwas weiter entfernt wieder aufzutauchen. Lächelnd wandte er sich mal hierhin und mal dorthin. Sein Profil war ebenso scharf gezeichnet wie das seines Bruders. Eine junge, ausgesprochen attraktive Rothaarige in einem malvenfarbenen Abendkleid folgte jedem seiner Schritte und gesellte sich wie zufällig zu ihm, wann immer sich die Gelegenheit bot.
Radcliff zog seine Manschetten straff. Es war schon eine Weile her, dass er Carlton zuletzt begegnet war. Fast acht Monate.
Zu sehen, wie sein Bruder sich vergnügte, während
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