Der Duke, der mich verführte
schluckte. Das klang ja nicht gerade vielversprechend. „Ich habe nicht vor zu gehen.“
„Das bleibt dir überlassen.“ Seine markanten Züge, sonst so sinnlich, wirkten seltsam angespannt im schwachen Lichtschein, der aus den hohen Flügelfenstern in den Garten fiel. Die unversehrte Seite seines Gesichts hatte er ihr zugewandt, die vernarbte lag im Schatten. „Vielleicht fange ich am besten mit einem Namen an. Matilda Thurlow. Zur Zeit besagten Zwischenfalls war sie die Mätresse meines Bruders.“
Justine horchte auf. Zwar hatte sie gewusst, dass eine wenig respektable Frau in die Sache verwickelt gewesen war, wäre aber nie auf den Gedanken gekommen, es könne sich dabei um die Mätresse seines eigenen Bruders gehandelt haben.
Den Blick in die Ferne gerichtet, fuhr er leise fort. „Sie war Carltons Ein und Alles, aber er hat sich nie öffentlich mit ihr gezeigt. Nicht weil er um seinen Ruf besorgt gewesen wäre, sondern weil er fürchtete, ich könne mich an sie heranmachen. Sie war tatsächlich sehr schön. Ich habe natürlich zu respektieren versucht, dass sie die Geliebte meines Bruders war, aber jedes Mal, wenn ich Matilda sah – sei es bei einem Ausritt im Hyde Park oder auf der Regent Street –, nahm meine Besessenheit zu. Irgendwann begann ich, ihr des Abends Besuche abzustatten, in der Hoffnung, dass sie meinem Drängen nachgäbe. Aber sie hat mich jedes Mal zurückgewiesen. Was mich natürlich nur noch mehr anstachelte.“
Justine gestand es sich nur ungern ein, aber sich anhören zu müssen, wie er einer anderen Frau nachgestiegen war, weckte ihre Eifersucht. Vielleicht, weil mehr dahinterzustecken schien als bloße Bewunderung für ihre Schönheit.
Bradford zuckte mit den Schultern. „Meinem Bruder entgingen meine Vorstöße natürlich nicht. Wiederholt hat er mich deswegen zur Rede gestellt. Schlimmer noch: Er wusste, dass es mir an Selbstbeherrschung mangelt, und hat sich auf meine Kosten darüber amüsiert. Er trieb es so weit, dass er mir eines Tages ein lebensgroßes Bildnis von Matilda Thurlow geschenkt hat. Ich war rasend vor Zorn, brachte es aber nicht über mich, das Bild aus dem Haus zu werfen – was das einzig Vernünftige gewesen wäre. Ich ließ es in meinem Schlafzimmer aufhängen, und bald darauf erreichte meine Obsession ihren Höhepunkt.“
Justine stockte der Atem. Das mysteriöse Frauenbildnis! Das Porträt der blonden Schönheit, das vor seinem Schlafzimmer hing. Meinte er etwa das?
Sie versuchte, ruhig und gelassen zu sprechen, obwohl sie sich keineswegs so fühlte. „Es ist nicht zufällig jenes Bild, das im Korridor vor unseren Schlafgemächern hängt?“
Wieder räusperte er sich. „Doch.“
Nach einem Augenblick des unbehaglichen Schweigens überwand sie sich zu fragen: „Gibt es einen Grund dafür, dass es noch dort hängt?“
Er zögerte kurz, nickte dann. „Als ich mich vor acht Monaten zurückgezogen hatte, habe ich viele, viele Male versucht, es abzuhängen. Und es jedes Mal wieder aufgehängt. Irgendwann hatte ich es zumindest geschafft, es aus meinem Schlafzimmer in den Flur zu verbannen. Am liebsten hätte ich es ganz rausgeschmissen, aber ich wollte mir beweisen, dass ich an dem verdammten Ding vorbeigehen konnte, ohne gleich in Wallung zu geraten. Das hat einen Monat gedauert, aber ich habe es geschafft. Jetzt ist es mir nur noch Erinnerung daran, was ich einmal gewesen bin. Und was ich noch immer bin, wenn ich nicht aufpasse.“
Justine wusste nicht zu sagen, weshalb sein Geständnis sie so sehr beunruhigte. Vielleicht, weil ihr auf einmal klar geworden war, dass auch die besten Männer ihre kleinen schmutzigen Geheimnisse hatten.
Bradford rieb sich verlegen das Kinn und sah beiseite. „Bald schon verspürte ich das dringende Bedürfnis, mit einer echten Frau zu verkehren, statt mich nur mit einem Porträt zu vergnügen. Also beschloss ich, zu einer Champagnerparty in Covent Garden zu gehen. Letztlich habe ich keine der Frauen dort angerührt, weil ich mir nicht auch noch die Syphilis einfangen wollte, und habe mich damit zufriedengegeben, den anderen beim Vögeln zuzuschauen.“ Er straffte das Kinn und warf ihr einen kurzen fragenden Blick zu. „Du weißt, was eine Champagnerparty ist?“
Nicht einen Moment hatte sie ihn aus den Augen gelassen und nahm auch jetzt den Blick nicht von ihm. Bedächtig schüttelte sie den Kopf. „Ich vermute mal, dass dort Männer und Frauen Champagner trinken.“
„Champagner und Laudanum, um genau zu
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