Der Duke, der mich verführte
sein, und den Rest kannst du dir denken. An jenem Abend hatte Matilda meinen Lakaien bestochen, damit er ihr verrate, wo sie mich finden könne. Allem Anschein nach war sie es endgültig leid, sich von Carltons leeren Versprechungen hinhalten zu lassen, und auf der Suche nach einer neuen, besseren Verbindung. Dass sie da an mich dachte, war nicht überraschend, hatte ich doch recht offensichtlich Interesse bekundet. In der Absicht, mit mir in Beziehung zu treten, traf sie in Covent Garden ein, wo sie jedoch sechs berauschten Männern in die Fänge geriet, die ihr die Kleider vom Leib rissen, sie fesselten und der Reihe nach vergewaltigten. Die anderen Gäste ließen es geschehen. Niemand hat auch nur einen Finger gerührt, obwohl sie die ganze Zeit wie am Spieß geschrien hat.“
Justine hielt sich die zitternden Hände vor den Mund. Tränen schossen ihr in die Augen. „Oh mein Gott … Wie furchtbar“, stieß sie mit erstickter Stimme hervor.
Radcliff legte den Kopf in den Nacken und starrte hinauf in den Nachthimmel. „Ich war selbst so berauscht, dass ich meiner Sinne kaum noch Herr war. Eines der Mädchen hat mich quer durchs Haus geschleift und mich angefleht, etwas zu tun. Eine Frau bräuchte Hilfe, hat sie gesagt. Was ich dann sah, war selbst für mich zu viel.“
Er wirbelte jäh herum und hieb mit der Faust in die Luft. Als er sich Justine wieder zuwandte, fuhr er sich noch einmal heftig mit den Händen durchs Haar, ehe er weitersprechen konnte. „Es war Matilda. Sie hielten sie mit dem Gesicht auf dem Boden fest, und sie schluchzte und schrie. Einer der Männer ritzte ihr mit einem Messer seine Initialen in den Hintern. Damit sie sich immer an ihn erinnern würde, wie er gar nicht oft genug sagen konnte. Ich erinnere mich nicht genau, was dann geschah, doch muss ich mich wohl in blindem Zorn auf ihn gestürzt haben, wobei er mir mit ebendiesem Messer das Gesicht von der Lippe bis zur Schläfe aufschlitzte. So betrunken, wie ich war, habe ich den Schmerz nicht einmal gespürt.“
Die Kehle war Justine wie zugeschnürt, so sehr peinigte sie, was er und die arme Matilda Thurlow hatten erleiden müssen.
Bradford biss die Zähne zusammen und hieb abermals mit der Faust ins Leere, als wüsste er nicht, wohin mit seiner Wut. Dann stieß er mit leiser, zischender Stimme, die ihm so gar nicht ähnlich klang, hervor: „Sowie ich einen dieser Schweinehunde von ihr runtergezerrt und ihm den Schädel eingeschlagen hatte, machte sich schon der Nächste an ihr zu schaffen. Überall war Blut, vor allem meins. Zum Glück fanden sich unter den Gästen dann doch ein paar Männer, die ihre Sinne beisammen und ein Einsehen hatten. Als sie merkten, dass mir das halbe Gesicht herunterhing, halfen sie mir, der Sache ein Ende zu machen. Für Matilda kam die Hilfe allerdings etwas zu spät. Das Schlimmste war ja schon geschehen.“
Er schüttelte den Kopf. „So etwas mit eigenen Augen ansehen zu müssen, hat mir nur bestätigt, was mir meine eigene Obsession schon bewiesen hat – wie wichtig die Studien deines Vaters sind, um unsere wahre Natur besser zu begreifen. Sowie sie ihrer Kleider ledig sind, werden Männer zu Tieren.“
Justine versuchte ein Schluchzen zu unterdrücken, doch vergebens.
„Gerade mal drei Tage nach diesem Vorfall“, erzählte er weiter, „während ich notdürftig zusammengeflickt zu Hause saß und die sechs Männer im Gefängnis darauf warteten, dass ihnen der Prozess gemacht werde, kam Carlton in mein Haus gestürmt und gab mir an allem die Schuld. Als ob ich sie zu ihren Schandtaten ermutigt hätte! Was natürlich Unsinn war, doch in gewisser Weise konnte ich seinen Zorn verstehen. Ich war lange Zeit völlig verantwortungslos mit meiner Obsession umgegangen, hatte all meinen Begierden nachgegeben und ein ausschweifendes Leben geführt, mit dem niemandem gedient war, nicht einmal mir selbst. Seine Anschuldigung traf mich zutiefst. Ich zog mich für viele Monate zurück, während derer ich mich um Besserung bemühte und mich kein einziges Mal selbst berührte.“
Er sah ihr direkt in die Augen. „Nur eines hat mich davor bewahrt, völlig den Verstand zu verlieren: deine allwöchentlichen Briefe. Die ich, kaum dass ich sie gelesen hatte, sofort verbrannte. Aus Angst, dich – oder schlimmer noch: mich – zu ermutigen, habe ich auf keinen einzigen geantwortet. Doch dann kam es zu diesen unschönen Anschuldigungen gegen deinen Vater und kurz darauf dein Brief, in dem du dich mir, im Gegenzug
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