Der dunkle Fluss
einmal versuchen. An einer Gabelung fuhr ich auf den Kies am Straßenrand und hielt an. Die Polizei hatte nicht vor, über meine Familie hinaus nach Dannys Mörder zu suchen. Aber das konnte ich nicht akzeptieren. Ich hatte zwei Anhaltspunkte, Leute, die in der Vergangenheit gewaltsam mit Danny Faith aneinandergeraten waren: Candace Kane, die Danny wegen Körperverletzung angezeigt hatte, und den, der Danny vor vier Monaten so übel verprügelt hatte. Candy war irgendwo unterwegs, und Jamie ging nicht ans Telefon. Ich kam nicht weiter. Mein Rücken verknotete sich vor lauter Frustration. Es musste doch noch andere Wege geben.
Aber es gab keine. Zebulon Faith war vom Radar verschwunden. Dolf wollte nicht mit mir sprechen. Mein Vater war weggefahren.
Verdammt.
Eine andere Frage, die mich plagte, kam mir in den Sinn. Sie war geringfügiger, weniger drängend, aber sie plagte mich trotzdem. Warum kam Sarah Yates mir so bekannt vor? Und woher wusste sie, wer ich war? Ich legte den Gang ein und fuhr an der Gabelung nach links. Links war Davidson County.
Und Sarah Yates.
Ich fuhr über den Fluss, und der Wald zog an mir vorbei, während ich versuchte, mir einen Reim auf das überwältigende Gefühl der Bekanntschaft mit ihr zu machen. Ich bog von der Straße in den schmalen Weg ein, der zu ihrem Haus am Fluss hinunterführte. Als ich zwischen den Bäumen hervorkam, sah ich Ken Miller in einem Liegestuhl vor dem lila Bus. Er trug Jeans, hatte die nackten Füße von sich gestreckt und den Kopf zurückgelegt, um sich die Sonne ins Gesicht scheinen zu lassen. Er stand auf, als er den Wagen hörte, überschattete seine Augen und trat auf den Weg, um mir die Durchfahrt zu versperren. Er breitete die Arme aus wie ein Gekreuzigter und runzelte mit großer Hingabe die Stirn.
Als ich anhielt, beugte er sich herunter, um in den Wagen zu spähen. Dann kam er an mein Fenster, und seine Stimme klang wütend.
»Habt ihr Leute für einen Tag nicht schon genug angerichtet fuhr er mich an. Seine Finger umfassten die Fensterkante. Sein Hals war mit Erde beschmiert, und graue Haare ragten aus einem Hemdkragen. Ein Auge war fast zugeschwollen, und die Haut dort glänzte dunkel und straff.
»Welche Leute?«
»Ihr verdammter Vater. Den meine ich.«
Ich deutete auf sein blaues Auge. »Hat er das getan?«
»Ich will, dass Sie verschwinden.« Er beugte sich noch weiter herunter. »Sofort.«
»Ich muss mit Sarah sprechen.« Ich legte den Gang ein. »Ich habe eine Pistole im Bus«, sagte er. Ich schaute ihn an — die harten Konturen seines Kinns, die geschwollene Ader an der Schläfe. Ich sah Wut und Angst. Eine schlechte Kombination. »Was ist hier los, Ken?«
»Muss ich sie holen?«
Oben an der Straße hielt ich an. Sie war leer, ein langes, hartes schwarzes Band, das sich über zwei Meilen in weitem Bogen dahinzog. Ich bog nach links in Richtung Brücke; das Fenster war offen, und es wurde laut im Wagen. Als ich aus der Kurve kam, fuhr ich fünfzig. Noch schneller, und ich hätte ihn übersehen.
Sarahs Van.
Er parkte an der hinteren Ecke einer aus Betonteilen gebauten Motorradbar namens »Hard Water Tavern«, dicht hinter einem rostigen Müllcontainer. Der Van war beinahe unsichtbar, aber es war auf jeden Fall ihrer: der kastanienbraune Lack, die getönten Fenster. Ich bremste ab und suchte nach einer Stelle zum Wenden. Erst nach einer Meile fand ich einen Kiesweg, bog ein, setzte rückwärts wieder hinaus und gab Gas. Ich parkte neben dem Van und stieg aus. Sechzehn Harleys standen zwischen dem Eingang und mir. Chrom blitzte in der Sonne. Nieten blinkten an schwarzledernen Satteltaschen. Die Maschinen standen schräg nebeneinander, in einer Reihe von militärischer Präzision.
Das Lokal war dunkel und niedrig. Rauchschwaden hingen über Billardtischen. Musik dröhnte aus einer Jukebox zur Linken. Ich ging an die Bar und bestellte ein Bier bei einer müden Frau, die aussah wie sechzig, aber wahrscheinlich nicht viel älter war als ich. Sie hebelte den Kronkorken von einer langhalsigen Flasche und knallte sie so heftig auf den Tresen, dass der Schaum herausquoll. Ich setzte mich auf einen vinylbezogenen Drehhocker und wartete darauf, dass meine Augen sich an das Halbdunkel gewöhnten. Es dauerte nicht lange. Lampen hingen über grünem Filz. Hartes Licht drängte durch die Türritzen herein.
Ich trank aus meiner Flasche und stellte sie auf die feuchtfleckige Bar.
Es war eine Ein-Raum-Spelunke mit drei Tischen und einem Betonboden
Weitere Kostenlose Bücher