Der dunkle Fluss
gegangen war, Dolf zu isolieren, wie darum, ihn am Leben zu erhalten. Das war schlau. Und eiskalt.
Dieses Schwein.
Ich nahm Grace' Hand. Sie war schlaff und trocken. Ich fühlte etwas Glattes an ihrem Handgelenk und sah, dass sie nicht einmal das Krankenhausarmband abgenommen hatte. Die Schwellungen in ihrem Gesicht waren abgeklungen, die Blutergüsse gelblich an den Rändern. »Wusstest du, dass er Krebs hat?«
Sie zuckte zusammen. »Er hat nicht viel darüber geredet, aber es war immer da — wie eine dritte Person im Haus. Er hat versucht, mich vorzubereiten.«
Mir kam eine plötzliche Erkenntnis. »Deshalb bist du nicht auf dem College.«
Die Tränen kamen, und Grace strich sich hastig mit der Hand über die Augen, bevor sie überfließen konnten. »Wir haben doch nur einander.«
»Komm«, sagte ich, »ich bringe dich nach Hause.«
»Ich will nicht nach Hause«, sagte sie. »Ich muss etwas tun. Irgendetwas.«
»Du kannst nicht hierbleiben.« Sie hob den Kopf, und ich sah ihren Schmerz. »Es gibt nichts zu tun.«
Ich fuhr sie zu Dolfs Haus. Die ganze Zeit saß sie da, als sei tief in ihr etwas zu Eis gefroren. Ab und zu überlief sie ein Schauder. Einmal wollte ich etwas sagen, aber sie schnitt mir das Wort ab.
• Lass mich einfach in Ruhe, Adam. Du kannst nichts in Ordnung bringen.« Fast das Gleiche hatte ich zu Dolf gesagt, als mein Vater gedroht hatte, mich umzubringen.
Sie ließ zu, dass ich sie hineinführte und auf ihre Bettkante setzte. Die Tasche, die sie getragen hatte, fiel zu Boden, und sie wandte die Handflächen neben sich nach oben. Ich knipste die Lampe an und setzte mich zu ihr. Ihre Sonnenbräune war ausgewaschen, ihre Lider waren schwer. Auf ihren trockenen, unbewegten Lippen sahen die Nähte besonders grausam aus. »Soll ich dir ein Glas Wasser bringen?«, fragte ich.
Sie schüttelte den Kopf, und ich sah, dass sie ein paar weiße Haare bekommen hatte, lange Strähnen, hart glänzend wie gespannter Draht. Ich legte ihr den Arm um die Schultern und küsste sie auf den Scheitel.
»Ich habe deinen Vater angeschrien«, sagte sie. »Er kam ins Krankenhaus, um es mir zu sagen. Er wollte bei mir bleiben. Ich dürfte das Krankenhaus nicht verlassen, sagte er. Er würde es nicht erlauben. Ich habe ein paar ziemlich schreckliche Sachen gesagt.«
»Das ist okay«, sagte ich. »Er versteht dich.«
»Was kann ich tun, damit das alles aufhört?«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, warum Dolf das tut, Grace. Ich weiß nur, dass du ins Bett gehörst.«
Sie stand auf. »Im Bett kann ich nichts Nützliches tun. Es muss doch etwas geben.« Sie ging dreimal schnell auf und ab und blieb dann stehen. »Ich kann nichts tun«, stellte sie entsetzt fest.
Ich nahm ihre Hand und zog sie zurück auf das Bett. »Fällt dir sonst noch jemand ein, der ein Interesse an Danny Faiths Tod haben könnte? Wenn dir irgendwas einfällt, kann ich mich darum kümmern.«
Sie hob den Kopf, und ihr Blick war verzweifelt. »Du verstehst nicht«, sagte sie.
»Was verstehe ich nicht?«
Ihre Hand spannte sich um meine, und wieder trat der Spiegelglanz in ihre Augen. »Ich glaube, Dolf hat es vielleicht getan.«
»Was?« Sie stand unvermittelt auf und ging mit harten Schritten in die Ecke des Zimmers. »Ich hätte das nicht sagen sollen. Entschuldige. Ich weiß nicht mehr, was ich rede.«
»Grace, du kannst mir vertrauen. Was ist los?«
Als sie sich umdrehte, war ihr Mund ein unnachsichtiger Strich. »Ich kenne dich nicht mehr, Adam. Ich weiß nicht, ob ich dir vertrauen kann oder nicht.«
Ich stand auf und öffnete den Mund, aber sie redete weiter.
»Du liebst eine Polizistin.«
»Das ist nicht —«
»Streite es nicht ab!«
»Ich wollte es nicht abstreiten. Ich wollte sagen, es ist nicht von Bedeutung. Ich würde Dolf niemals in Gefahr bringen.« Grace wich in die Ecke zurück und zog die Schultern hoch, als wolle sie die verletzlichen Bereiche ihres Halses schützen. Sie ballte die Fäuste. »Ich bin nicht dein Feind, Grace. Und auch nicht Dolfs. Ich muss wissen, was hier vorgeht. Dann kann ich helfen.«
»Ich kann es dir nicht sagen.«
Ich tat einen Schritt auf sie zu.
»Du bleibst da stehen!«, schrie sie, und ich sah, dass sie kurz vor einem echten Zusammenbruch stand. »Ich muss das alles begreifen. Ich muss nachdenken.«
»Okay. Beruhige dich erst mal. Lass uns darüber reden.«
Sie senkte die Fäuste und entspannte auch die Schultern wieder. Entschlossenheit durchströmte sie. »Du musst
Weitere Kostenlose Bücher