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Der dunkle Fluss

Der dunkle Fluss

Titel: Der dunkle Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
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zerrissene Herzen.
    »Alles okay?«, fragte ich.
    »Ja.«
    »Was machst du hier?«
    »Hattest du je das Gefühl, du müsstest stehen bleiben, nur für eine Sekunde, bevor du ein Zimmer betrittst? Als müsstest du ein letztes Mal durchatmen, bevor du stark genug bist für das, was dich hinter der Tür erwartet?«
    »Ich glaube schon.«
    »Diesen Atemzug brauchte ich.«
    »Im Moment ist einfach viel im Gange«, sagte ich.
    Sie nickte, und ich sah, dass ihr Haar sich aus dem Kamm löste, mit dem sie es hochgesteckt hatte. Lange schwarze Strähnen hingen über ihren Kragen. »Es ist beängstigend«, sagte sie.
    Sie sah so traurig aus, dass ich sie berühren und in den Arm nehmen wollte, tat es jedoch nicht. Es könnte ihr wehtun oder sie erschrecken. Die letzten paar Tage waren für alle schwer gewesen, aber Miriam sah beinahe durchsichtig aus. »Ich nehme an, Dad ist nicht da«, sagte ich.
    »Sein Truck ist weg. Ich glaube, nur Mom ist da. Ich sitze schon eine Weile hier.«
    »Miriam«, sagte ich, »hast du eine Ahnung, wer Danny umgebracht haben könnte?« Sie schüttelte den Kopf. Dann hielt sie inne, das Kinn zur Seite gerichtet. »Was ist?«, fragte ich.
    »Na ja, da war etwas, vor ungefähr vier Monaten. Jemand hat ihn ziemlich übel zusammengeschlagen. Er wollte nicht darüber reden, aber George meinte, es war wahrscheinlich ein Buchmacher aus Charlotte.«
    »Wirklich? Wusste George, welcher Buchmacher?«
    »Das glaube ich nicht. Er sagte nur, Danny hätte endlich seine verdiente Strafe gekriegt. Als ich ihn fragte, was er damit meinte, sagte er nur, Danny habe über seine Verhältnisse gelebt, und das habe er jetzt davon.«
    »Das hat George gesagt?«
    »Ja.«
    »Weißt du, wo Jamie jetzt ist?«
    »Nein.«
    »Warte einen Augenblick.« Ich wählte Jamies Nummer auf meinem Handy. Es klingelt viermal, dann schaltete sich die Mailbox ein. »Jamie«, sagte ich, »hier ist Adam. Ich brauche die Namen dieser Buchmacher. Ruf mich an, wenn du meine Nachricht gehört hast.« Ich klappte das Telefon zu und legte es neben mich. Miriam sah zerbrechlich aus, als könnte sie jeden Augenblick in Stücke gehen. »Das wird schon wieder«, sagte ich.
    »Ich weiß. Es ist nur schwer. Dad ist so traurig. Mom ist außer sich. Und Grace ...«
    Wir schwiegen einen Moment. »Glaubst du, Dolf könnte Danny ermordet haben?«
    »Gott ist mein Zeuge, Adam: Ich habe keine Ahnung. Dolf und ich haben uns nie besonders gut gekannt, und Danny kannte ich überhaupt nicht. Er war älter als ich, ein Hilfsarbeiter. Wir hatten keinen Umgang miteinander.«
    Plötzlich kam mir ein Gedanke. Miriam hatte gesagt, George habe die Prügel für Danny als verdiente Strafe bezeichnet. Harte Worte, dachte ich und sah George beim Frühstück vor mir, sah den Zorn, der in ihm aufstieg, als wir über Danny sprachen.
    Danny sagte, ich sei eine Lachnummer. Er sagte zu Miriam, sie sollte nicht mit einer Lachnummer ausgehen.
    Ich hatte gemeint, er habe sich vielleicht an einen anderen George Tallman erinnert.
    Dann war er ein Arschloch. Das sage ich.
    Ich betrachtete Miriam. Ich wollte sie nicht unnötig beunruhigen. Soweit ich es übersah, konnte George Tallman niemandem ein Haar krümmen. Aber fragen musste ich trotzdem. »Miriam, hatten George und Danny Streit miteinander? Probleme? Irgendetwas in der Art?«
    »Eigentlich nicht. Vor Jahren waren sie Freunde. Die Freundschaft ging zu Ende. Der eine wurde erwachsen, der andere nicht. Ich glaube nicht, dass sie darüber hinaus ernsthaften Streit hatten.«
    Ich nickte. Sie hatte recht. Danny besaß das Talent, andere Männer wütend zu machen. Das war sein Ego, weiter nichts. »Und wie ist es mit Dad und Danny?«, fragte ich. »Haften die beiden Probleme?«
    »Warum fragst du das?«
    »Die Polizei hat Zweifel an Dolfs Geständnis. Sie halten es für möglich, dass er lügt, um Dad zu schützen.«
    Miriam zuckte die Achseln. »Das glaube ich nicht.«
    »Sagt dir der Name Sarah Yates irgendwas?«
    »Nein.«
    »Und Ken Miller?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Sollte er?«
    Ich ließ sie auf der Schaukel sitzen und fragte mich, ob sie da irgendwo eine Rasierklinge versteckt hatte. Ob das Wort vom »letzten Atemzug« nur ein Wort gewesen war.
    Ich fuhr in die Stadt, rief die Auskunft an und ließ mir Candace Kanes Anschrift und Telefonnummer geben. Ich kannte die Adresse; es war ein Apartmentkomplex in der Nähe des Colleges. Ich wählte die Nummer und ließ es zehnmal klingeln, bevor ich aufgab. Ich würde es später noch

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