Der dunkle Fluss
soll ich Jamie fragen?«
»Er und Danny waren unzertrennlich. Sind zusammen zum Baseball und in die Spielclubs gegangen. Zu Hundekämpfen irgendwo draußen im County. Zu Hahnenkämpfen. Überallhin, wo sie wetten konnten. Einmal kamen sie mit einem neuen Auto nach Hause. Das hatten sie von irgendeinem Kerl drüben in Davidson County gewonnen.« Sie lächelte matt. »War 'ne Schrottkiste. Zwei Tage später haben sie es gegen Bier und ein Moped eintauscht. Sie waren Freunde, aber Danny sagte mal, er könnte Jamie nicht so vertrauen, wie er Ihnen vertrauen konnte. Jamie hätte einen Hang zur Grausamkeit.« Sie zuckte die Achseln. »Er hat Sie wirklich vermisst.«
Sie weinte immer noch ein bisschen, und ich musste darüber nachdenken, was sie gesagt hatte. Sie war die zweite Person, die annahm, dass Jamie und Danny zusammen in Glücksspielgeschäfte verwickelt waren. George Tallman hatte praktisch das Gleiche gesagt. Ich überlegte, was das bedeuten konnte, und ließ ihr ein wenig Zeit, denn jetzt kam die große Frage: »Warum wollte er sich von Ihnen trennen, Candy?«
Sie neigte den Kopf so tief, dass ich nur noch die Baseballmütze und ihr trockenes, seifenhell gebleichtes Haar sah. Als sie antwortete, spürte ich, dass die Worte ihr wehtaten. »Er hatte sich verliebt. Er wollte ein neues Leben anfangen.«
»In wen verliebt?«
»Das weiß ich nicht.«
»Keine Ahnung?«
Sie hob den Kopf. Ihr Blick war unversöhnlich, und die Narbe verzog sich, als sie sagte: »Irgendeine Nutte.«
Nachdem Candy Kane gegangen war, rief ich Robin an und hörte Verkehrslärm, als sie sich meldete. »Wie läuft's?«, fragte ich.
»Nur zäh. Die gute Nachricht ist, dass das Sheriff's Office tatsächlich nach Zebulon Faith fahndet. Ich habe noch mal mit ein paar derselben Leute über dieselben Fragen gesprochen. Die schlechte Nachricht: Ich bekomme immer dieselben Antworten. Wo immer Faith sich verkrochen hat, er hat es entweder nicht unter seinem Namen oder aber außerhalb des Versorgungsgebiets getan.«
»Was heißt das?«
»Ich habe mich bei den Versorgungsbetrieben von Rowan County und Umgebung erkundigt. Soweit ich es überblicken kann, hat Faith keinen anderen Besitz, jedenfalls nicht mit einem Telefon- oder Stromanschluss. Aber ich habe noch ein paar andere Eisen im Feuer. Ich halte dich auf dem Laufenden.«
»Ich war gerade bei Candace Kane.«
»Mir der hat Grantham gestern gesprochen.«
»Was hat sie ihm gesagt?«
»Ich arbeite nicht mehr an dem Fall, schon vergessen? Ich bin die Letzte, mit der Grantham darüber redet. Ich weiß nur, dass er sie aufgestöbert hat.«
»Sie hat Grantham erzählt, Danny hätte sie geschlagen, und deshalb hasse sie ihn. Aber das ist nicht ganz die Wahrheit. Sie hat ihn geliebt, und er hat sie abserviert, bevor er ermordet wurde. Das könnte ein Motiv sein.«
»Traust du es ihr zu?«
»Einen Mord?« Ich schaute hoch und sah, wie Candace die Treppe hinaufstieg. Ihre langen Beine bewegten sich unter den pinkfarbenen Frottee-Shorts auf und ab, und ihre Speckrollen wippten. »Ich glaube nicht«, sagte ich. »Allerdings hat sie vier Brüder. Könnte sein, dass denen die Narbe in ihrem Gesicht nicht gefällt.«
»Das wäre ein denkbares Motiv, aber andererseits ... es war Dolfs Revolver. Ich werde die Namen eingeben und feststellen, ob einer der vier vorbestraft ist. Wer weiß, vielleicht haben wir Glück.«
Das klang nicht sehr hoffnungsvoll, und ich verstand es. Alles drehte sich um die Mordwaffe. Es ergab nur einen Sinn, wenn Danny den Revolver selbst genommen und irgendwie die Kontrolle darüber verloren hatte. Und diese Wahrscheinlichkeit war gering. Danny hatte sich im Griff gehabt. »Glaubst du, Faith weiß, dass sein Sohn tot ist?«
»Das kommt darauf an, wie tief er untergetaucht ist.«
»Danny war im Wettgeschäft. Wie es aussieht, hat ihn vor vier Monaten jemand ziemlich übel verprügelt. Könnte was mit seinen Wetten zu tun haben.«
»Wer sagt das?«
»Candace Kane. George Tallman.«
»George, hm ?«
Ich hörte die Geringschätzung in ihrem Ton. »Was hast du gegen ihn?«
»Er ist ein Idiot.«
»Klingt aber, als steckte da mehr dahinter.« Sie zögerte, und ich wusste, dass sie nachdachte. »Ich traue ihm nicht.«
»Aus einem bestimmten Grund?«
»Das ist kompliziert.«
»Vielleicht verstehe ich es trotzdem.«
»Ich bin nicht erst seit gestern bei der Polizei. Ich kenne viele Cops und viele Kriminelle, und in mancher Hinsicht ist der Unterschied zwischen beiden nicht
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