Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der dunkle Fluss

Der dunkle Fluss

Titel: Der dunkle Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
Vom Netzwerk:
wurde weinerlich. Nicht, dass er wirklich geweint hätte.« Sie verzog das Gesicht. »Es war einfach bemitleidenswert.«
    Der Gedanke, dass Danny mich verteidigt hatte, traf mich wie ein Schlag. Nach fünf Jahren des Schweigens hatte ich einfach angenommen, dass er die Freundschaft abgeschrieben und sein Leben weitergelebt hatte. Während ich versucht hatte, alles zu begraben, hatte Danny die Erinnerungen beschützt. Jetzt war mir noch mieser zumute, falls das möglich war. Ich hatte mein Exil als Auftrag gedeutet. Tu, was nötig ist, um über die Zeit zu kommen. Vergiss deine Familie und deine Freunde. Vergiss dich selbst.
    Ich hätte nie an ihm zweifeln dürfen.
    Ich hätte ihm vertrauen müssen.
    »Er hat mich angerufen«, sagte ich. »Sie wissen nicht, was er wollte, oder?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Er hat es nie erwähnt.« Ihre Augen waren rot, aber sie trockneten wieder. Sie schniefte. »Zigarette?«, fragte sie. Ich verneinte, und sie zog eine zerknüllte Packung aus der hinteren Tasche ihrer Shorts. »Er hat ein Bild von Ihnen in seinem Zimmer. Von Ihnen beiden, sollte ich wohl sagen. Er hat den Arm um Sie gelegt, aber nicht, als ob er scharf auf Sie wäre oder so was. Sie sind beide voller Dreck, und Sie lachen.«
    »Dirtbiking«, sagte ich. »Ich erinnere mich.«
    Sie zog an ihrer Zigarette, und das Lächeln erstarb. Sie schüttelte den Kopf, und diese Geste sagte mehr als tausend Worte. Ich dachte, sie würde wieder anfangen zu weinen.
    »Weshalb haben Sie sich mit Danny gestritten?«, fragte ich.
    Sie ließ die Zigarette fallen und zertrat sie mit ihrer grünen Gummisandale. Ich sah, dass der pinkfarbene Nagellack auf ihren Zehen abblätterte. Sie blickte nicht auf. »Ich wusste immer, dass er noch andere Mädels hatte«, sagte sie. »Aber wenn er bei mir war, dann war er ganz und gar bei mir. Verstehen Sie? Diese anderen Mädels waren ohne Bedeutung. Ich wusste, dass ich diejenige war, auf die es ankam. Das hat er mir gesagt. Mit keiner anderen war es was Dauerhaftes. Danny war einfach so. Und den anderen konnte ich es ja auch nicht verdenken.« Sie lachte wehmütig. »Er hatte so was an sich. Etwas, das mich bei ihm bleiben ließ. Trotz allem.«
    »Trotz allem ?«
    »Trotz der Mädels. Der Trinkerei. Der Prügeleien.« Wieder verlor sie die Fassung. »Er war es wert. Ich habe ihn geliebt.« Ihr Stimme versagte, und ich hakte nach. »Er hat Sie geschlagen?«
    »Nein.« Ihre Stimme war dünn. »Er hat mich nicht geschlagen. Das hab ich nur erzählt. Ich war wütend.«
    »Was ist denn passiert?«
    »Ich wollte ihm eins reinwürgen, aber das dürfen Sie der Polizei nicht verraten, okay? Die hat mich danach gefragt, und ich hab gesagt, er hätte es getan. Und danach hab ich mich nicht getraut, meine Aussage zu ändern.« Sie machte eine Pause. »Ich wollte es ihm einfach zeigen.«
    »Sie waren wütend.«
    Als sie aufblickte, sah ich einen schwarzen Abgrund in den glänzenden blauen Augen. »Er wollte mit mir Schluss machen. Er sagte, es wäre aus. Und was da mit meinem Gesicht passiert ist ... das war meine Schuld. Nicht seine.«
    »Wieso?«
    »Er hat mich nicht geschlagen, wie ich es der Polizei erzählt habe. Er wollte weggehen, und ich hab an seinem Arm gezerrt. Er hat sich losgerissen, und da bin ich über einen Hocker gestolpert. Und in die Glasscheibe gefallen.«
    »Das ist nicht mehr wichtig«, sagte ich. »Er ist fort. Und die Anzeige ist ohne Bedeutung.«
    Aber sie weinte wieder. Langsam und ölig liefen die Tränen über ihre Wangen, und ihr Kopf hing herab. »Ich hab die Polizei auf ihn gehetzt. Ich hab ihn gezwungen, sich zu verstecken. Vielleicht ist er deshalb umgebracht worden.«
    »War er in illegale Geschäfte verwickelt?«
    Sie schüttelte heftig den Kopf; entweder bedeutete es ein Nein, oder sie weigerte sich, zu antworten. Ich wusste es nicht und fragte deshalb noch einmal. Keine Antwort.
    »Glücksspiel?«
    Jetzt nickte sie mit geschlossenen Augen.
    »Ist er deshalb vor vier Monaten zusammengeschlagen worden? Von Leuten, die Wetten von ihm entgegengenommen haben?«
    »Das wissen Sie?«
    »Wer hat seine Wetten angenommen, Candy?« Ihre Stimme klang erstickt. »Sie haben ihn so furchtbar verprügelt —«
    »Wer?«, drängte ich.
    »Ich weiß es nicht. Danny sagte, sie hätten ihn gesucht. Sie waren im Motel. Sie waren auf der Farm. Er ist schon kurz vorher verschwunden. Ich glaube, er hat sich vor ihnen versteckt. Sie sollten Jamie fragen. Er ist doch Ihr Bruder, oder?«
    »Warum

Weitere Kostenlose Bücher