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Der dunkle Fluss

Der dunkle Fluss

Titel: Der dunkle Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
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Grundstück an. Ich kletterte über den Zaun und überquerte den von Müll übersäten, gepflasterten Hinterhof, der von der Straße aus nicht einsehbar war. Die Stahltür stand offen; ein abgebrochenes Stück von einem Hohlblockstein klemmte zwischen ihr und dem Rahmen. Der Spalt war vielleicht zwanzig Zentimeter breit, und die Luft war still und feucht. Es roch nach Waschpulver und ein bisschen nach verfaultem Obst. Wummernde Musik drang durch den Türspalt.
    Ich schlich mich näher und spähte hinein. Das Büro war halbdunkel und holzgetäfelt, auf Aktenschränken lagen Papierberge, und hinter einem großen, billigen Schreibtisch saß ein fetter Glatzkopf auf dem seitlich gedrehten Stuhl. Seine Hose hing auf den Knöcheln. Er hatte den Kopf in den Nacken gelegt, und die Augen in dem roten Gesicht waren zugekniffen. Die Frau lag auf den Knien, und ihr Kopf bewegte sich auf und ab wie der Kolben einer Dampfmaschine. Sie war schlank, jung und schwarz und konnte für eine Sechzehnjährige durchgehen. Er hatte die Finger der einen Hand in ihr ölig glänzendes Haar geflochten, und die andere umspannte die Armlehne so fest, dass die Sehnen sich durch das Fett wölbten.
    Ein schlaffer Zwanzig-Dollar-Schein hing über der Schreibtischkante.
    Ich trat den Hohlblockstein beiseite und stieß die Tür auf. Als sie gegen die Wand knallte, riss der fette Mann die Augen auf. Eine endlose Sekunde lang starrte er mich an, während das Mädchen seine Arbeit fortsetzte. Sein Mund rundete sich zu einem schwarzen Loch, und er sagte: »0 Gott.«
    Das Mädchen hörte lange genug auf, um zu sagen: »Genau, Baby.« Dann arbeitete sie weiter. Ich trat ein, und er stieß sie von seinem Schoß zurück. Ich sah kurz ihr Gesicht und die Leere in ihren Augen. Sie war komplett zugedröhnt von irgendetwas. »Verdammt, Baby«, sagte sie.
    Der Dicke kam wogend auf die Beine; seine Hände grabschten nach der Hose, und der Fuß suchte nach dem Hosenbein. Er ließ mich nicht aus den Augen. »Sagen Sie meiner Frau nichts«, bat er.
    Nur langsam begriff das Mädchen, dass sie nicht allein waren. Sie stand auf, und ich sah, dass sie kein Kind mehr war. Sie war vielleicht fünfundzwanzig, schmutzig und mit blutunterlaufenen Augen. Sie wischte sich mit der Hand über den Mund, als der Mann sich die Hose hochzog. »Das zählt aber«, sagte sie und griff nach dem Zwanziger.
    Sie lächelte, als sie sich an mir vorbeischob: graue Zähne, die Lippen einer Crack-Raucherin. »Ich bin Shawnelle«, sagte sie. »Frag ruhig nach mir, wenn du so was auch willst.«
    Ich ließ sie gehen und schloss die Tür. Er fummelte an seinem Gürtel und zerrte heftig daran, um ihn zu schließen. Vierzig, schätzte ich. Fünfzig vielleicht — es war schwer zu sagen bei dem Schweiß und dem Fett und dem glänzenden rosaroten Schädel. Ich behielt seine Hände im Auge, und die Schublade ebenfalls. Wenn dort eine Pistole lag, hatte er nicht die Absicht, danach zu greifen. Doch als er jetzt seine Hose wieder anhatte, wurde er sicherer. Die Wut war da — noch ganz unten, aber sie wachte auf. »Was wollen Sie hier?«, fragte er.
    »Verzeihen Sie die Störung«, sagte ich.
    »Ja, schon gut.« Jetzt kam es. »Arbeiten Sie für meine Frau? Sagen Sie ihr, aus einem Stein kann sie kein Blut pressen.«
    »Ich kenne Ihre Frau nicht.«
    »Was wollen Sie dann?« Ich trat an den Schreibtisch heran. »Ich höre, Sie nehmen Wetten an.«
    Ein nervöses Lachen blubberte herauf. »Du lieber Gott. Ist es das? Dann hätten Sie vorn hereinkommen sollen, verdammt. Das ist so üblich.«
    »Ich bin nicht zum Wetten hier. Ich möchte, dass Sie mir etwas über Danny Faith erzählen. Sie haben Wetten von ihm angenommen?«
    »Danny ist tot. Das stand in der Zeitung.«
    »Richtig. So ist es. Haben Sie seine Wetten angenommen?«
    »Ich werde nicht mit Ihnen über meine Geschäfte reden. Ich weiß ja nicht mal, wer Sie sind.«
    »Ich kann mich jederzeit mit Ihrer Frau unterhalten.«
    »Tun Sie das nicht. Herrgott. Nächste Woche ist die Schlussverhandlung.«
    »Also — Danny?«
    »Hören Sie, ich kann Ihnen nicht viel sagen, okay? Danny war ein Zocker. Ich bin ein kleiner Fisch. Ich mache Football-Wetten und die Auszahlungen für illegales Video-Poker. Danny war schon seit zwei oder drei Jahren nicht mehr in meiner Liga. Für ihn war die Action in Charlotte.«
    Ich hatte plötzlich ein flaues Gefühl im Magen. Jamie hatte mich angelogen. Er hatte mich auf den Holzweg geführt. »Was ist mit Jamie Chase?«, fragte

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