Der dunkle Fluss
ich.
»Das Gleiche. Er ist 'ne große Nummer.«
»Wer ist ihr Buchmacher in Charlotte?«
Sein Lächeln war schmierig. »Wollen Sie diesen Scheiß da unten auch versuchen?« Das Lächeln wurde breiter. »Da werden Sie sich die Finger verbrennen.«
Der Laden, zu dem er mich schickte, hatte keine Hintertür, durch die ich mich hineinschleichen konnte. Es war ein Hohlblockwürfel im Ostteil von Charlotte, abseits einer vierspurigen, nach frisch gegossenem Teer riechenden Straße in einem Gewerbegebiet. Ich stieg aus. Drei Meilen und eine Trillion Dollar weiter westlich blinkte die Sonne auf den Hochhäusern der Innenstadt. Zwei Männer lungerten vor dem Eingang, und ein paar Stahlrohre lehnten in Reichweite verstreut in einer Reihe an der Wand. Sie beobachteten mich, als ich herankam — ein Schwarzer in den Dreißigern und ein Weißer, vielleicht zehn Jahre älter.
»Was wollen Sie?«, fragte der Schwarze.
»Ich muss mit einem Mann da drinnen sprechen«, sagte ich.
»Mit welchen Mann?«
»Mit dem, der hier der Chef ist.«
»Ich kenne Sie nicht.«
»Ich muss trotzdem mit jemandem sprechen.«
Der Weiße hob einen Finger. »Wie ist Ihr Name?«, fragte er. »Sie kommen mir bekannt vor.« Ich sagte es ihm. »Brieftasche«, sagte er. Ich reichte ihm meine Brieftasche. Sie war immer noch vollgestopft mit Hundertern. Reisegeld. Sein Blick verweilte auf dem Bündel Geldscheine, aber er rührte es nicht an, sondern zog meinen Führerschein heraus. »Hier steht: New York. Hab den falschen Mann, nehme ich an.«
»Ich bin aus Salisbury«, sagte ich. »Ich war weg.«
Er warf noch einen Blick auf meinen Führerschein. »Adam Chase. Sie hatten vor einiger Zeit ein bisschen Ärger.«
»Ja.«
»Sind Sie verwandt mit Jamie Chase?«
»Mein Bruder.« Er gab mir die Brieftasche zurück. »Lass ihn rein.«
Das Gebäude bestand nur aus einem einzigen Raum, modern, hell beleuchtet. Die vordere Hälfte war als Empfangsbereich eingerichtet: zwei Sofas, zwei Sessel, ein Couchtisch. Eine niedrige Theke teilte den Raum. Dahinter Schreibtische, neue Computer, Leuchtstoffröhren. Ein Ständer mit verstaubten Reisekatalogen lehnte an einer Wand. Daneben hingen in unregelmäßigen Abständen Plakate von tropischen Stränden. Zwei junge Männer saßen an den Computern; der eine hatte den Fuß auf eine herausgezogene Schublade gelegt.
Ein Mann im Anzug stand an der Theke. Weiß, um die sechzig. Der Posten von draußen kam herein und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Der Mann nickte und scheuchte ihn wieder hinaus. Dann sah er mich lächelnd an. »Kann ich Ihnen helfen ?«, fragte er. »Ein Trip auf die Bahamas? Oder etwas Exotischeres?« Das Lächeln war strahlend und bedrohlich.
Ich trat an die Theke und spürte Blicke in meinem Rücken. »Nett hier«, sagte ich. Der Mann zuckte die Achseln, wandte die Handflächen nach oben und lächelte unverbindlich. »Danny Faith«, sagte ich. »Jamie Chase. Das sind die beiden, über die ich sprechen möchte.«
»Sollten mir die Namen etwas sagen?«
»Sie sagen Ihnen etwas, das wissen wir beide.«
Das Lächeln entglitt. »Jamie ist Ihr Bruder?«
»Ganz recht.«
Er musterte mich mit den kalten Reptilienaugen einer Schlange. Etwas verriet mir, dass er Dinge sah, die andere nicht sahen. Stärken und Schwächen, Chancen und Risiken. Fleisch auf einer Waage. »Ich habe Danny Faith ein- oder zweimal aus seinem Loch gezogen. Er ist eine Ratte. Aber er interessiert mich nicht. Er hat seine Schulden vor ungefähr drei Monaten bezahlt, und seitdem habe ich ihn nicht mehr gesehen.«
»Er hat bezahlt?«
Seine Zähne waren zu weiß und zu gerade, um echt zu sein.
»Restlos.«
»Er ist tot.«
»Darüber weiß ich nichts. Ich befasse mich mit denen, die Schulden bei uns haben. Und damit wären wir bei Ihrem Bruder. Sind Sie hier, um seine Schulden zu bezahlen?«
»Seine Schulden?«
»Natürlich.«
»Wie viel?«, fragte ich.
»Dreihunderttausend.«
»Nein«, sagte ich, und eine kalte Faust presste mir den Magen zusammen. »Ich bin nicht hier, um seine Schulden zu bezahlen.« Er winkte ab. »Dann machen Sie, dass Sie rauskommen.« Der Aufpasser war plötzlich hinter mir, so nah, dass ich seine Wärme spürte. Der Mann wandte sich ab. »Moment«, sagte ich. »Sie haben Danny Faith aus einem Loch gezogen. Aus welchem Loch?« Er drehte sich wieder um und verzog misslaunig die schmalen Lippen. »Wovon reden Sie?«
»Sie sagten, Sie hätten Danny Faith aus einem Loch gezogen. Ich suche seinen Vater.
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