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Der dunkle Fluss

Der dunkle Fluss

Titel: Der dunkle Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
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dem kleinen Mädchen zurück. Das Kind verschmierte seine Tränen mit dem Unterarm auf den Wangen, küsste das Plastikgesicht und strich mit kleinen Händen über die Büschel von verfilzten Vinylhaaren.
    Das Tortenblech hatte sieben Schusslöcher. Der Weg war fast unsichtbar, denn er war zweifach verdeckt: von dem dicken Baum, an den das Blech genagelt war, und von dem kniehohen Gras, das zwischen den Radfurchen wuchs. Was immer an seinem Ende sein mochte, ich bezweifelte, dass er oft benutzt wurde. Ich fuhr meinen Wagen um den Baum herum und parkte ihn so, dass er von der Straße aus nicht zu sehen war. Als ich ausstieg, wurde der Geruch der Umgebung eindringlicher; es roch furchtbar nach stehendem Wasser, stiller Luft und feuchter Erde. Der Weg machte eine Biegung nach links und verschwand hinter einer Schulter aus baumbewachsenem Granit. Plötzlich fragte ich mich, ob es klug gewesen war hierherzukommen. Die Stille weckte ein Gefühl von gedämpfter Erwartung. Ein Raubvogel schrie in der Ferne, und ich schüttelte das Gefühl ab.
    Der Boden war schwammig, in den Furchen waren frische Reifenspuren zu sehen. Grashalme waren abgerissen oder geknickt worden, vor höchstens zwei Tagen, schätzte ich.
    Ich hielt mich auf der linken Seite des Weges und drückte mich an den Granitvorsprung. Der Weg führte scharf nach links und zurück zwischen die Bäume. Ich riskierte einen Blick um die Ecke, wich zurück und schaute dann noch einmal, betrachtete Zebulon Faiths dreckiges Scheißhaus. Der Trailer war alt, schätzungsweise dreißig Jahre, was ungefähr hundert Trailer-Jahre sind. Er stand schief nach rechts geneigt auf Hohlblocksteinen. Keine Telefonleitung, keine Stromleitung. Eine leblose Hülse.
    Ein Auto war nicht zu sehen; deshalb war es unwahrscheinlich, dass jemand hier war. Trotzdem näherte ich mich vorsichtig. Der Trailer war viel benutzt worden. Entweder hatte jemand ihn vor einem Menschenleben neu hier aufgestellt, oder er war letztes Jahr vom Schrott geholt worden. Jacke wie Hose. Was immer der Fall sein mochte, er würde hier bleiben, bis die Erde ihn verschlungen hatte. Er hockte mitten in einer zerfransten Lichtung zwischen den Bäumen. Ranken wuchsen über die hintere Ecke herauf. Der Haufen der zerschossenen Flaschen war eher einen halben als drei Meter hoch.
    Im Gras sah ich, dass ein Auto hier geparkt hatte.
    Glitschige Stufen führten zu einer durchhängenden, viereckigen Holzplatte vor der Tür hinauf. Dort stand ein einzelner Plastikstuhl, und im Gras lagen noch mehr Flaschen. Die Stufen gaben unter meinen Füßen nach, als ich hinaufstieg. Ich spähte durch das Fenster und sah verschwommen einen blätternden Vinylfußboden und Möbel vom Sperrmüll. Bierflaschen hatten Ringe auf dem Küchentisch hinterlassen, und auf der Theke lagen Fastfood-Kartons und Lotterielose.
    Ich rüttelte den der Tür — sie war verschlossen — und ging dann um den Trailer herum. Ich stieg über weggeworfene Möbel und anderen Müll hinweg. Auf der Rückseite sah es genauso aus wie vorn, nur dass hier ein Generator stand. Eine schlaffe Plane war darübergedeckt und mit Ziegelsteinen beschwert. Ich schaute durch alle Fenster. Zwei Schlafzimmer — eins war leer, in dem anderen stand ein Sprungrahmen mit einer Matratze. Ein Klo gab es auch. Das Waschbecken war mit Zahnpasta verschmiert, und auf einem Schemel lagen Pornohefte. Ich warf noch einmal einen Blick in den Wohnraum und sah einen Fernseher mit Zimmerantenne, einen Videorecorder und einen Stapel Kassetten. Auf dem Boden standen Aschenbecher und zwei Wodka-Flaschen.
    Es war eine Absteige, ein Loch, in dem man sich vor der Welt verkriechen konnte, und das leuchtete ein bei einem Mann wie Zebulon Faith. Am liebsten wäre ich eingebrochen und hätte alles kurz und klein geschlagen. Am liebsten hätte ich alles niedergebrannt. Aber ich wusste, ich würde noch einmal zurückkommen. Also ließ ich es bleiben. Es hatte keinen Sinn, ihn zu verschrecken.
    Als ich zur Farm zurückfuhr, schien mir die tief stehende Sonne ins Gesicht. Ich rief Robin an, plauderte eine ganze Weile über gar nichts und verabredete mich für den nächsten Tag mit ihr. Kein Wort über Zebulon Faith. Manche Dinge erledigte man am besten im Dunkeln, und ich wollte sie da nicht hineinziehen. Punkt. Ich schaltete das Handy aus und fuhr noch schneller in das orangegelbe Lodern hinein. Der Tag starb, und ich fragte mich, was er mitnehmen würde.
    Ich sah den Truck meines Vaters schon von Weitem; er

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