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Der dunkle Fluss

Der dunkle Fluss

Titel: Der dunkle Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
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meiner.«
    Er würde nicht weiter darüber sprechen. Ich dachte an die Schulden, die er in ein paar Tagen würde zurückzahlen müssen. Ich wollte darüber reden, aber vor Miriam konnte ich es nicht. Es würde ihn in Verlegenheit bringen.
    »Wie geht es dir, Miriam?«, fragte ich.
    Sie versuchte zu lächeln. »Ich würde gern heimfahren.«
    »Fahrt nur«, sagte ich zu meinem Vater. »Ich bleibe hier.«
    »Hab Geduld mit ihr«, sagte er. »Sie ist zu stolz für die Bürde, die sie trägt.«
    Er drehte den Zündschlüssel. Ich blieb im Staub stehen und sah ihm nach, und dann setzte ich mich auf die Motorhaube meines Wagens und wartete auf Grace. Sie war geschmeidig und sicher und schoss ihre Pfeile mit ruhiger Entschlossenheit ab. Nach ein paar Minuten fuhr ich den Wagen in die Einfahrt, ging ins Haus und kam mit einem Bier wieder heraus. Ich zog mir einen Schaukelstuhl ans andere Ende der Veranda, wo ich sie beobachten konnte.
    Die Sonne ging unter.
    Grace kam nicht aus dem Takt.
    Als sie schließlich auf die Veranda trat, dachte ich, sie würde wortlos an mir vorbeigehen, aber sie blieb in der Tür stehen. Im Dunkeln sahen ihre Blutergüsse schwarz aus. »Schön, dich zu sehen«, sagte sie.
    Ich stand nicht auf. »Ich dachte, ich mache uns Abendessen.«
    Sie öffnete die Tür. »Was ich da gesagt habe. Das war nicht so gemeint.« Sie sprach von Dolf. »Ich gehe jetzt duschen.« Im Kühlschrank fand ich Rinderhack, und als sie herauskam, stand das Essen auf dem Tisch. Sie roch nach sauberem Wasser und Blumenseife. Das nasse Haar hing auf ihren Bademantel, und beim Anblick ihres Gesichts bohrten sich neue Stacheln in meine Brust. Die Augen waren besser geworden, aber die geplatzten Lippen sahen immer noch wund aus, und die Fäden waren schwarz und steif und falsch. Die Blutergüsse waren in der Mitte auberginefarben und verblassten grünlich an den Rändern. »Wie schlimm ist es?«, fragte ich sie.
    »Das hier?« Sie zeigte auf ihr Gesicht. »Das hat nichts zu bedeuten.« Sie warf einen Blick auf das Wasser, das ich ihr eingegossen hatte, und holte sich ein Bier aus dem Kühlschrank. Sie riss die Dose auf, trank einen Schluck und setzte sich. Sie schob die Ärmel hoch, um zu essen, und ich sah ihren verwüsteten linken Unterarm. Die Bogensehne hatte die ganze Innenseite zerfressen und lange Striemen hinterlassen. Grace bemerkte, dass ich hinstarrte.
    »Mein Gott, Grace. Du musst einen Armschutz tragen.«
    Ohne mit der Wimper zu zucken, nahm sie einen Bissen und deutete auf meinen Teller. »Isst du das nicht?«
    Wir aßen und tranken Bier und sprachen kaum ein Wort. Wir versuchten es, aber es gelang nicht, und das Schweigen wurde beinahe behaglich. Es kam darauf an, nicht allein zu sein. Das genügte. Als ich Gute Nacht sagte, waren ihre Lider schwer. Ich legte mich in das Gästebett und dachte an Jamies Betrug und die Unterredung am nächsten Tag, an all das, was hier mit solcher Urgewalt lebte so viel, dass das Zimmer sich um mich zu drehen schien. Das Leben mit all seinen Verwicklungen schien aus ungeheurer Höhe wie durch einen Trichter herabzuströmen, und als Grace die Tür öffnete, war es wie eine Bestimmung.
    Sie hatte den Bademantel ausgezogen und trug ein spinnwebzartes Nachthemd, das aussah wie ein Nichts. Als sie sich in der Dunkelheit bewegte, war sie ein Flüstern.
    Ich setzte mich auf. »Grace —«
    »Keine Angst, Adam. Ich will nur bei dir sein.«
    Auf flinken Füßen kam sie herüber, glitt unter die Decke und achtete darauf, dass das Laken zwischen uns war. »Siehst du?«, sagte sie. »Ich bin nicht hier, um dich für andere Frauen zu verderben.« Sie rückte näher, und ich fühlte ihre Wärme durch den dünnen Stoff. Sie war weich, sie war hart und drängte sich an mich in beinahe vollkommener Stille. Und da, im Dunkeln und in der Hitze, fand mich die Erkenntnis. Es war ihr Duft, ihre Brüste, die sich an mir flach drückten, die harte Rundung ihrer Schenkel es geschah mit einem hörbaren Klicken, einem Geräusch wie von kleinen Teilen, die sich zusammenfügten. Dannys Anruf vor drei Wochen. Sein drängender Ton. Seine Not. Und Grace' Freundin Charlotte Preston, die im Drugstore arbeitete und Robin etwas von einem unbekannten Freund erzählt hatte. Sie hatte gesagt, es habe Probleme gegeben, irgendwas, worüber Grace unglücklich gewesen sei. Und andere Mosaiksteinchen bewegten sich und klickten. Die Nacht, als Grace Dannys Motorrad gestohlen hatte. Die wurmartigen Windungen einer straffen,

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