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Der dunkle Fluss

Der dunkle Fluss

Titel: Der dunkle Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
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Beziehung zu erzwingen ... wenn er immer weiter gedrängt hatte ...
    Sie ließ den Kopf wieder auf das Kissen sinken. »Hast du ihn gar nicht geliebt?«, fragte ich und meinte Danny. »Vielleicht ein bisschen.« Sie schloss die Augen und rutschte tiefer unter die Decke. »Nicht so sehr, dass es etwas bedeutet hätte.« Ich betrachtete sie eine Weile. Sie hatte genug geredet, und ich auch. »Gute Nacht, Grace.«
    »Gute Nacht, Adam.«
    Ich knipste das Licht aus und legte mich wieder hin. Wir lagen beide starr da, jeder von uns nicht nur im Bewusstsein der Nähe des anderen, sondern auch der vielen Dinge, die unausgesprochen geblieben waren. Es dauerte Stunden, bis ich unter dem offenen Fenster einschlief.
    Als ich aufwachte, roch es nach Feuer.

ACHTUNDZWANZIG
    I ch fuhr hoch. Die Dunkelheit der Stunde vor dem Morgengrauen kam durch das Fenster herein, und mit ihr der bittere Geruch von Rauch. Ich schüttelte Grace. »Wach auf!«
    »Was ist?«
    »Riechst du das?«
    Sie griff zur Lampe. »Nicht«, sagte ich, schwang die Beine über die Bettkante und zog mir Hose und Schuhe an. Auch Grace sprang auf. »Zieh dich an.«
    Grace rannte zu ihren Kleidern, und ich lief durch die dunkle Diele und hinaus auf die Veranda. Die Fliegentür kreischte wie an Nachtvogel. Über mir ein massiv schwarzer Himmel — keine Sterne, kein Mond. Der Wind wehte über die Höhe heran, und der Brandgeruch war so schwach, dass man ihn fast nicht wahrnahm. Aber dann kam eine Bö auf und trieb Rauch herüber, der später so dick war, dass man ihn schmecken konnte. Ein paar Sekunden kam Grace heraus, fix und fertig angezogen. »Was sollen wir tun?«, fragte sie. Ich zeigte nach Norden, wo die tief hängenden Wolken plötzlich orangegelb leuchteten.
    »In den Wagen.«
    Der Kies spritzte auf, als ich das Gaspedal durchtrat und schleudernd aus der Einfahrt schoss. Wir rasten durch einen dunklen Tunnel, und Grace' Hand verkrampfte sich an meiner Schulter. Als wir über eine Anhöhe kamen, dehnte sich das Leuchten weiter aus. Es war immer noch weit weg, mindestens eine Meile. Gleich darauf waren wir beim Haus meines Vaters.
    »Ich setz dich dort ab. Du musst sie alle wecken. Und ruft die Feuerwehr.«
    »Was hast du vor?«
    »Ich werde herausfinden, wo es brennt. Ich habe mein Handy dabei und rufe zu Hause an, sobald ich etwas weiß. Ihr könnt die Feuerwehr dann dorthin dirigieren.«
    Vor dem Haus hielt ich kaum an. Grace sprang hinaus und die Stufen hinauf, und ich gab sofort wieder Gas. Sekunden später war ich zwischen den Bäumen, mit aufheulendem Motor, als ich auf dem lockeren Kies zu viel Gas gab. Ich brachte den Wagen wieder unter Kontrolle und steuerte auf die lange, gewundene Anhöhe zu, die sich durch den Wald schlängelte. Das Leuchten am Himmel wurde stärker, als ich mich dem Kamm näherte. Ich schoss über den Gipfel und aus dem Wald hinaus und trat mit aller Kraft auf die Bremse. Der Wagen rutschte stotternd noch ein ganzes Stück weiter. Als er zum Stehen gekommen war, sprang ich hinaus in die heiße Luft. Rauch lag wie eine Decke über dem Land. Das Tal unter mir brannte lichterloh. Die Reben. Die vierzig Hektar, die Dolf mir gezeigt hatte. Gelbe Zungen leckten am Himmel. Schwarze Schatten tanzten überall; die Hitze der Flammen saugte machtvoll die Luft heran und trieb den Rauch zum Himmel. Ein Drittel der Fläche stand in Flammen.
    Und plötzlich begriff ich.
    Jamies Truck stand schräg über der Straße, keine zwanzig Meter weit vor den Flammen, mit offener Fahrertür. In den Fenstern spiegelte sich das gelb lodernde Inferno. Ich hielt Ausschau nach Jamie und entdeckte ihn ungefähr in der Mitte der Senke. Er pflügte sich wie eine Lokomotive durch die unverbrannten Rebstockreihen dicht hinter dem äußeren Rand des Feuers. Die Flammen hatten ihm den Rückweg zum Truck abgeschnitten, und er war mit rudernden Armen auf der Flucht. Er sah aus, als schaute er sich um, aber ich war nicht sicher.
    Ich war bereits in vollem Lauf.
    Ich rannte schräg bergab und wollte ihn auf der anderen Seite des Weinbergs abfangen, in der Nähe des schwarzen Wassers. Die lose Erde gab unter meinen Füßen nach, ich stolperte und lief dann noch schneller. Ich wollte ihn fangen. Das sagte ich mir jedenfalls, aber in meinem tiefsten Innern wusste ich, wenn ich nur angestrengt genug, schnell genug rannte, würde ich der Wahrheit entkommen, dass mein Bruder diesen Verrat begangen hatte. Und einen Augenblick lang funktionierte es: Mein Kopf wurde leer und

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