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Der dunkle Fluss

Der dunkle Fluss

Titel: Der dunkle Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
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Knöcheln dagegen schlug. »Alles klar«, sagte er und stieg aus.
    Als ich bei Dolfs Haus ankam, war es leer. Grace war fort. Kein Zettel. Ich duschte und spülte Schmutz, Schweiß und Brandgeruch von meiner Haut. Dann zog ich eine saubere Jeans und ein T-Shirt an. Es gab eine Million Dinge zu tun, aber nichts davon stand in meinen Möglichkeiten. Ich nahm zwei Bier aus dem Kühlschrank und ging mit dem Telefon auf die Veranda. Das erste Bier verschwand innerhalb von einer Minute. Dann rief ich im Haus meines Vaters an. Miriam meldete sich.
    »Er ist nicht hier«, sagte sie, als ich nach ihm fragte.
    »Wo ist er?«
    »Mit Grace unterwegs.«
    »Wo?«
    »Hinter den Hunden her.« Ihre Stimme klang trist. »Das macht er immer, wenn er sich hilflos fühlt.«
    »Und Grace ist bei ihm?«
    »Sie kann gut schießen. Das weißt du.«
    »Sag ihm, ich möchte ihn gern sehen, wenn er zurückkommt.« Schweigen. »Miriam?«
    »Ich sag's ihm.«
    Um mich herum zog der Tag vorbei. Ich sah zu, wie die Sonnenstrahlen länger wurden und die Mulden ausfüllten. Zwei Stunden. Fünf Biere.
    Nichts zu tun.
    Das Gehirn im Overdrive.
    Ich hörte den Truck, bevor ich ihn sah. Grace saß am Steuer. Beide sahen belebt aus; sie lächelten nicht gerade, aber sie wirkten erfrischt, als sei es ihnen gelungen, ein paar Stunden lang dem Schlimmsten aus dem Weg zu gehen. Sie kamen auf die Veranda, und mein Anblick ließ ihr Strahlen erlöschen. Die Realität holte sie ein.
    »Glück gehabt?«, fragte ich.
    »Nein.« Mein Vater setzte sich neben mich.
    »Willst du was essen?«, fragte Grace.
    »Gern«, sagte ich.
    »Und du?«
    Mein Vater schüttelte den Kopf. »Janice kocht.« Er wandte die Handflächen nach oben. Ich war nicht eingeladen. Grace sah mich an. »Ich muss einkaufen. Kann ich deinen Wagen nehmen?«
    »Du hast keinen Führerschein mehr«, sagte mein Vater.
    »Ich werde schon nicht erwischt.«
    Ich sah meinen Vater an. Er zuckte die Achseln. Ich gab ihr den Schlüssel. Als der Motor ansprang, drehte mein Vater sich um. Seine Frage war schmerzhaft. »Hast du Zebulon Faith erschossen?«
    »Robin hat dich angerufen.«
    »Sie meinte, ich sollte es wissen. Hast du ihn erschossen?«
    »Nein. Er hat es selbst getan. Wie ich es der Polizei gesagt habe.«
    Der Alte wiegte sich in seinem Schaukelstuhl vor und zurück. »War er es, der meine Reben abgebrannt hat?«
    »Ja.«
    »Okay.«
    »Einfach so?«, fragte ich.
    »Ich konnte ihn noch nie leiden.«
    »Grantham glaubt, Dolfs Geständnis ist Blödsinn.«
    »Ist es auch.«
    »Er glaubt, Dolf will jemanden schützen. Vielleicht dich.«
    Mein Vater sah mich an und antwortete langsam. »Grantham ist Polizist. Sich paranoide Blödsinnstheorien auszudenken ist sein Job.« Ich stand auf und lehnte mich ans Geländer. Ich wollte sein Gesicht sehen. »Hat er einen Grund?«
    »Wofür?«
    »Dich zu schützen.«
    »Was für eine verdammte Frage ist das denn?«
    Mein Vater war ein Raubein, das Salz der Erde, aber er war auch der ehrlichste Mensch, den ich je gekannt hatte. Wenn er mich jetzt belog, würde ich es merken. »Gibt es irgendeinen Grund, weshalb dir an Dannys Tod gelegen sein könnte?«
    Der Augenblick zog sich in die Länge. »Das ist eine absurde Frage, Junge.«
    Er war wütend und beleidigt — ich kannte das Gefühl —, und deshalb ließ ich es hingehen. Ich hatte es schon gesagt. Mein Vater war kein Mörder. Das musste ich glauben. Wenn ich es nicht täte, wäre ich nicht besser als er. Ich setzte mich wieder, aber die Anspannung wuchs. Die Frage stand immer noch zwischen uns. Mein Vater schnaubte angewidert und verschwand für fünf lange Minuten im Haus. Als er endlich wieder herauskam, brachte er zwei neue Bier mit und sagte, als wäre nichts gewesen: »Morgen wird Danny begraben.«
    »Wer hat das arrangiert?«
    »Irgendeine Tante in Charlotte. Der Gottesdienst ist mittags. Am Grab.«
    »Wusstest du, dass er in Grace verliebt war?«, fragte ich. »Ich finde, wir sollten hingehen.«
    »Wusstest du das?«, fragte ich lauter. Mein Vater stand auf und trat ans Geländer. Er wandte mir den Rücken zu. »Sie ist zu gut für ihn. Sie war immer zu gut für ihn.« Er drehte sich um und zog eine Braue hoch. »Du interessierst dich nicht für sie, oder?«
    »Nicht so.«
    Er nickte. »Sie hat herzlich wenig auf dieser Welt. Wenn sie Dolf verliert, bringt es sie um.«
    »Sie ist zäh.«
    »Sie bricht auseinander.« Er hatte recht. Aber wir wussten beide nicht, was wir dagegen tun sollten, und so sahen wir zu,

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